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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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eben, was Maden taten. Sie agierten instinktiv, und ihr Instinkt hieß sie fressen, bis sie sich in Fliegen verwandelten. Schmeißfliegen, blaue Brummer, Bremsen, Stubenfliegen. Es war egal. Er musste nur die Fressphase abwarten, und dann würde die Made ihn zufrieden lassen.
    Doch die Gefahr bestand, dass diese spezielle Made eine Abart war, oder? Eine Kreatur, der niemals Flügel wachsen würden, und in diesem Fall musste er sich von ihr befreien.
    Doch das war nicht der Grund, warum er begonnen hatte. Und das war auch nicht der Grund, warum er jetzt hier stand, gegenüber dem Krankenhaus, ein Schatten, der darauf wartete, vom Licht aufgelöst zu werden. Er war hier, weil es eine Krönung gab, die darauf wartete, stattzufinden, und sie würde bald stattfinden. Dafür würde er sorgen.
    Er ging über die Straße. Es war riskant, aber er war bereit und willig, dieses Risiko einzugehen. Sich zu zeigen, bedeutete, einen vorrangigen Anspruch auf eine Zeit und einen Ort zu erheben, und genau das wollte er tun: Er wollte den Prozess beginnen, aus dem Stein der Gegenwart Geschichte zu meißeln.
    Er ging hinein. Er suchte seinen Gegner nicht, auch nicht das Zimmer, in dem er zu finden sein würde. Er hätte geradewegs dorthin gehen können, wenn er gewollt hätte, doch das war nicht der Zweck seines Kommens.
    Um diese Zeit, kurz vor Tagesanbruch, waren nur wenige Menschen auf den Krankenhausfluren, und diejenigen, denen er begegnete, sahen ihn nicht an. Das brachte ihn zu der Erkenntnis, dass er für die Menschen in der gleichen Weise unsichtbar war wie Götter. Unter geringeren Menschen zu wandeln und sie jederzeit heimsuchen zu können, bewies ihm unwiderlegbar, was er war und immer sein würde.
    Er atmete. Er lächelte. Es war still in seinem Schädel.
    Herrschaft besitzt, wer Herrschaft ausübt.

31
    Lynley blieb die ganze Nacht und viele Stunden des folgenden Tages bei ihr. Er nutzte die Zeit, um den Anblick ihres Gesichts - so bleich auf dem Kissen - von dem zu entkoppeln, was sie jetzt war, von dem Organismus, auf den sie reduziert worden war. Er versuchte, sich zu vergegenwärtigen, dass es nicht Helen war, die er ansah. Helen war fort. In dem Augenblick, in dem sich für sie beide alles geändert hatte, war sie verschwunden. Die eigentliche Helen war aus der Hülle aus Knochen, Muskeln, Blut und Gewebe emporgestiegen und hatte nicht die Seele zurückgelassen, die sie definierte, sondern lediglich die Substanz, die sie formte. Und die Substanz allein war nicht Helen und konnte es niemals sein.
    Aber er konnte nicht loslassen, denn wenn er es versuchte, stürzten zahllose Bilder auf ihn ein, weil er Helen einfach viel zu lange gekannt hatte. Sie war achtzehn Jahre alt gewesen und nicht seine Freundin, sondern vielmehr die Erwählte seines Freundes. Lass mich dir Helen Clyde vorstellen, hatte St. James gesagt. Ich werde sie heiraten, Tommy.
    Glaubst du, ich tauge zur Ehefrau?, hatte sie gefragt. Ich besitze kein einziges Talent, das dazu nötig ist. Und sie hatte auf eine Art und Weise gelächelt, die sein Herz berührt hatte, aber eher in Freundschaft als in Liebe.
    Liebe war später gekommen, viele Jahre später, und was zwischen Freundschaft und Liebe gesprossen war, waren Unglück, Wandel und Trauer, die sie alle drei verändert hatten. Helen war nicht mehr der Wirbelwind, St. James nicht mehr der verwegene Schlagmann vor dem Wicket, und er selbst wusste, dass er die Ursache dafür war. Und für diese Sünde gab es keine Vergebung. Man konnte nicht zwei Leben verändern und dem Schaden, den man angerichtet hatte, einfach den Rücken zukehren.
    Irgendjemand hatte ihm einmal gesagt, dass die Dinge in jedem beliebigen Moment genau so waren, wie sie vorherbestimmt waren. Es gibt keine Fehler in Gottes Welt, hatte man ihm versichert. Doch er konnte das nicht glauben. Damals so wenig wie heute.
    Er sah sie auf Korfu, ein Badetuch unter ihr auf dem Strand ausgebreitet und ihr Kopf in den Nacken gelegt, sodass die Sonne ihr ins Gesicht fiel. Lass uns irgendwohin ziehen, wo die Sonne scheint, hatte sie gesagt. Oder lass uns wenigstens für ein Jahr in die Tropen verschwinden.
    Oder dreißig oder vierzig?
    Ja. Wunderbar. Wir machen's wie Lord Lucan, nur aus einem weniger grausigen Anlass, natürlich. Was meinst du?
    Dass London dir fehlen würde. Die Rabattwochen in den Schuhgeschäften zumindest.
    Hm, da hast du nicht Unrecht, hatte sie gesagt. Ich bin ein lebenslanges Opfer meiner Füße. Das perfekte Objekt für

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