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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Lobby im Art-deco-Stil, an den Wänden Bilder, die betuchte Männer und Frauen in den Zwanzigerjahren auf ausschweifenden Partys zeigten. An einem Ende dieser Eingangshalle führte eine Tür zur Othello Bar. Es kam Ulrike eigenartig vor, dass Robbie - oder sonst jemand aus diesem Viertel - in eine Hotelbar und nicht in den Pub an der Ecke ging, um sein Bier zu trinken, aber die Othello Bar hatte einen unbestreitbaren Vorteil, zumindest am heutigen Abend: Es war praktisch niemand dort. Wenn Robbie das Bedürfnis verspürte, dem mitfühlenden Barkeeper die Ohren voll zu jammern, dann stand dieser Mann gänzlich zu seiner Verfügung. Obendrein gab es Sitzgelegenheiten an der Bar, noch ein Vorzug gegenüber dem Pub.
    Robbie Kilfoyle saß auf einem dieser Hocker. An zwei der Tische saßen Geschäftsleute und arbeiteten an ihren Laptops, das Bier in Reichweite. An einem weiteren Tisch hatten sich drei Frauen eingefunden, deren ausladende Hinterteile, weiße Turnschuhe und Getränkewahl zu dieser Stunde - Weißwein - sie als amerikanische Touristinnen auswiesen. Ansonsten war die Bar leer. Musik aus den Dreißigern plätscherte aus den Deckenlautsprechern.
    Ulrike glitt auf den Hocker neben Robbie. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, dann einen zweiten, als die Tatsache, wer sie war, sein Gehirn erreichte. Seine Augen weiteten sich.
    »Hi«, sagte sie. »Eine Nachbarin hat mir gesagt, dass du vielleicht hier bist.«
    »Ulrike!«, rief er und sah über ihre Schulter, als wolle er feststellen, ob sie in Begleitung war. Er trug einen engen schwarzen Pulli, der seinen Körperbau in einer Weise betonte, wie seine sonst üblichen, ordentlich gebügelten weißen Hemden es nicht taten. Hatte er von Griff gelernt?, fragte sie sich. Er war ziemlich gut gebaut.
    Der Barkeeper hörte Robs Ausruf und kam herüber, um ihre Bestellung aufzunehmen. Sie orderte einen Brandy, und während er ihn holte, erzählte sie Rob, Mrs. Puccini habe ihr geraten, hier nach ihm zu suchen. »Sie hat gesagt, du gingst regelmäßig hierher, seit dein Vater gestorben ist«, fügte Ulrike hinzu.
    Robbie sah weg und dann wieder zu ihr. Er versuchte nicht, sich herauszureden, und dafür musste Ulrike ihn bewundern. »Ich wollte es dir nicht sagen, dass er gestorben ist. Ich wusste nicht, wie. Es wäre so gewesen, als ...« Er schien einen Moment nachzudenken, während er das Bierglas in den Händen drehte. »Als wollte ich um eine Sonderbehandlung bitten, als spekulierte ich darauf, dass jemand mir aus Mitgefühl etwas gibt.«
    »Wie kommst du nur auf so einen Gedanken?«, fragte Ulrike. »Ich hoffe, niemand bei Colossus hat irgendetwas getan, das dir das Gefühl gegeben hat, du hättest dort keine Freunde, denen du dich anvertrauen kannst.«
    »Nein, nein«, versicherte er. »Das ist nicht das, was ich glaube. Ich schätze, ich war einfach noch nicht bereit, darüber zu sprechen.«
    »Bist du es jetzt?« Dies war ihre Gelegenheit, ein Band der Loyalität mit Robbie zu knüpfen. Auch wenn sie im Moment ganz andere Sorgen hatte als den Tod eines Mannes, der Monate zurücklag - eines Mannes, den sie nicht einmal gekannt hatte -, so wollte sie Robbie doch das Gefühl vermitteln, dass er einen Freund bei Colossus hatte und dieser Freund hier neben ihm in der Othello Bar saß.
    »Ob ich bereit bin, darüber zu sprechen?«
    »Ja.«
    Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.«
    »Schmerzlich?«
    Ein Blick in ihre Richtung. »Warum fragst du das?«
    Sie zuckte die Schultern. »Es scheint offensichtlich. Du hattest anscheinend eine enge Beziehung zu ihm. Immerhin habt ihr unter einem Dach gelebt. Ihr müsst viel Zeit miteinander verbracht haben. Ich weiß noch, dass du mir erzählt hast, wie ihr zwei zusammen fern ...« Sie brach ab, weil ihr bei der Erkenntnis die Worte im Hals stecken blieben. Sie ließ den Brandy im Glas kreisen und zwang sich, fortzufahren: »Du hast mit ihm zusammen ferngesehen. Das hast du erzählt.«
    »Haben wir auch«, antwortete er. »Mein Dad war selbst an guten Tagen ein Dreckskerl, aber er ist nie auf jemanden losgegangen, wenn der Fernseher lief. Ich glaube, das hypnotisierte ihn. Wenn wir also allein zusammen waren - vor allem, nachdem Mum schließlich ins Krankenhaus gekommen war -, hab ich immer den Fernseher eingeschaltet, damit er mich in Ruhe ließ. War wohl die Macht der Gewohnheit, als ich dir erzählt habe, wir hätten zusammen vor der Kiste gesessen. Das war eigentlich das Einzige, was wir je zusammen gemacht haben.« Er leerte

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