13 - Wo kein Zeuge ist
mögen könnte für diesen Moment, da er einen Hauch von Mitgefühl gezeigt hatte. »Armes Schwein«, murmelte Stewart. Und dann befahl er in seinem gewohnten Tonfall ihnen beiden: »Weitermachen. Essen Sie etwas. Wir sehen uns später.«
Sie hatten kein Interesse daran, etwas zu essen. Vielmehr machten sie sich auf den Weg zum Granville Square. Bis sie dort ankamen, war der Platz zum Leben erwacht. Ein KTU-Van parkte vor dem Haus und verriet die Anwesenheit der Spurensicherung, und neugierige Nachbarn versammelten sich auf dem Bürgersteig. Nkata zeigte dem Constable vor der Tür seinen Dienstausweis, erklärte, warum Barbara keinen hatte, und führte sie hinein.
Das Haus enthüllte weitere Bruchstücke der Persönlichkeit des Mörders. Im Keller fand sich ein ordentlicher Zeitungsstapel, der Kilfoyles Taten in chronologischer Reihenfolge dokumentierte, und auf einem Tisch in der Nähe lag ein Stadtplan, auf dem jede seiner sorgsam ausgewählten Stätten, wo er die Leichen abgelegt hatte, mit einem X gekennzeichnet war. In der Küche oben fand sich eine große Auswahl an Messern, allesamt von den KTU-Kollegen verpackt und gekennzeichnet, und auf den Sessellehnen im Wohnzimmer hingen Spitzendeckchen der Art, das als weiches Lendentuch für Kimmo Thorne verwendet worden war. Überall herrschte Ordnung. Die ganze Wohnung war überhaupt ein Vorbild an Ordnung. Nur in einem Zimmer fanden sich Hinweise - abgesehen von den Zeitungen und dem Stadtplan -, dass hier ein extrem instabiler Geist am Werke gewesen war: In einem Schlafzimmer im Obergeschoss entdeckten sie ein altes Hochzeitsfoto, das verunstaltet worden war, indem dem zottelhaarigen Bräutigam mit Hilfe von Füller und Tinte der Bauch aufgeschlitzt worden war, und auf seiner Stirn befand sich das gleiche Zeichen wie jenes, das als Unterschrift unter dem Brief gestanden hatte, den Kilfoyle an New Scotland Yard geschickt hatte. Auch im Kleiderschrank hatte eine von einem gestörten Geist gesteuerte Hand alle Männerkleidungsstücke der Länge nach zerschnitten.
»Hatte nicht viel für seinen Dad übrig, so wie's aussieht«, bemerkte Barb.
Von der Tür her sagte eine Stimme: »Ich dachte, Sie wollten das hier vielleicht sehen, bevor wir es abtransportieren.« Ein KTU-Beamter im weißen Overall stand dort, eine Urne in der Hand.
»Was haben Sie da?«, fragte Nkata.
»Seine Souvenirs, möchte ich wetten.« Er trug die Urne zu der Kommode hinüber, auf der das Hochzeitsbild stand, und nahm den Deckel ab. Sie spähten hinein.
Menschliche Asche machte den Großteil des Inhalts aus, und darin lagen ein paar aschefarbene Klumpen. Barbara war diejenige, die erriet, was sie waren. »Die Nabel«, sagte sie. »Was denkst du, wessen Asche das ist? Dads?«
»Meinetwegen kann es auch die von Queen Mom sein«, erwiderte Nkata. »Wir haben den Scheißkerl.«
Jetzt konnten die Familien unterrichtet werden. Befriedigende Gerechtigkeit würde es für sie nicht geben, die gab es nie. Aber es würde ein Ende geben.
Nkata brachte Barbara zum St.-Thomas-Krankenhaus zurück, sodass sie einen Abschleppdienst für ihren Wagen anfordern und ihn reparieren lassen konnte. Dort trennten sie sich, und keiner von ihnen schaute zum Krankenhaus hinüber, während sie sich verabschiedeten.
Nkata fuhr zurück zu New Scotland Yard. Inzwischen war es neun Uhr, und der Verkehr kroch dahin. Er war am Parliament Square, als sein Handy klingelte. Er nahm an, es war Barb, die die Sache mit ihrer Karre einfach nicht in den Griff kriegte. Doch ein Blick aufs Display zeigte ihm eine fremde Nummer, also meldete er sich lediglich mit: »Nkata.«
»Ihr habt ihn also verhaftet. Es war heute Morgen in den Nachrichten.« Es war eine Frauenstimme, die sprach, vertraut, aber er hatte sie noch nie am Telefon gehört.
»Wer ist da?«
»Ich bin froh, dass es vorbei ist. Und ich weiß, du hast es nur gut mit ihm gemeint. Mit uns. Ich weiß das, Winston.«
Winston. »Yas?«, fragte er.
»Ich hab das schon lange gewusst, aber ich wollte dem nicht ins Auge sehen, was es bedeutet, verstehst du? Das will ich immer noch nicht. Ins Auge sehen, mein ich.«
Er ließ sich das durch den Kopf gehen, die Tatsache, dass sie überhaupt angerufen hatte. »Kannst du vielleicht einen kurzen Blick darauf werfen, was meinst du?«
Sie sagte nichts.
»Ein Blick ist keine große Sache, oder? Nur so aus dem Augenwinkel. Das ist alles. Du müsstest gar nicht genau hingucken, Yas. Nur einen winzigen Blick riskieren. Das ist
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