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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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war Lynley geneigt, ihm zu vergeben, dass er dreieinhalb Stunden länger gebraucht hatte als die versprochenen vierundzwanzig Stunden, die Robson sich auserbeten hatte, um brauchbare Informationen zusammenzutragen.
    Dee Harriman holte ihn am Empfang ab und geleitete ihn zu Lynleys Büro. Robson lehnte den angebotenen Nachmittagstee ab und wies zum Konferenztisch hinüber, anstatt sich in einen der beiden Besucherstühle vor dem Schreibtisch zu setzen. Es war, als wolle er Lynley auf subtile Weise signalisieren, dass sie auf Augenhöhe waren. Trotz seiner zurückhaltenden Art war Robson offenbar niemand, der sich leicht einschüchtern ließ.
    Er hatte einen Notizblock mitgebracht, einen Schnellhefter und die Unterlagen, die Lynley ihm tags zuvor zur Verfügung gestellt hatte. Säuberlich faltete er die Hände auf diesem Stapel und fragte Lynley, was dieser über Profiling wisse. Lynley erwiderte, dass er bislang nie die Veranlassung gehabt habe, mit einem Profiler zu arbeiten, dass er aber wisse, was Profiler taten. Er fügte nicht hinzu, dass er immer noch unwillig sei, einen in sein Team aufzunehmen, und dass er in Wahrheit glaube, Robson sei überhaupt nur hinzugezogen worden, damit Hillier etwas in der Hand hatte, was er diesem gefräßigen Wolf - den Medien - vorwerfen konnte.
    »Wollen Sie denn eine kleine Einführung in die Wissenschaft des Profiling?«, fragte Robson.
    »Nicht zwingend, um Ihnen die Wahrheit zu sagen.«
    Robson betrachtete ihn gelassen. Die Augen hinter den Brillengläsern wirkten listig, aber er äußerte lediglich etwas obskur: »Na schön. Wir werden ja sehen, nicht wahr?« Ohne weitere Umstände ergriff er seinen Notizblock. Der Mörder, erklärte er Lynley, war ein weißer Mann zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig. Seine äußere Erscheinung war gepflegt: glatt rasiert, kurze Haare, in guter körperlicher Verfassung, was möglicherweise das Ergebnis von Hanteltraining war. Die Opfer hatten ihn gekannt, aber nicht gut. Sein Intelligenzquotient war hoch, seine Erfolge aber gering, ein Mann mit ansehnlichen Schulzeugnissen, aber einem durchgängigen Disziplinproblem, das von einer Unfähigkeit, zu gehorchen, herrührte. Er hatte in der Vergangenheit wahrscheinlich schon mehrfach seinen Job verloren, und wenngleich er derzeit vermutlich Arbeit hatte, war es eine unter seinen Fähigkeiten. In seiner Kindheit und Jugendzeit hatte er bereits kriminelles Verhalten an den Tag gelegt: möglicherweise Brandstiftung der eher harmlosen Sorte oder Tierquälerei. Zum jetzigen Zeitpunkt war er unverheiratet und lebte entweder allein oder mit einem dominanten Elternteil zusammen.
    Trotz allem, was Lynley bereits über Profiling wusste, hatte er Zweifel bezüglich der vielen Details, die Robson aufgezählt hatte. Er fragte: »Woher können Sie all das wissen, Dr. Robson?«
    Robsons Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Er versuchte erfolglos, nicht selbstzufrieden zu wirken. »Ich nehme an, Sie wissen, was Profiler tun, Superintendent, aber haben Sie eine Ahnung, wie und warum Profiling tatsächlich funktioniert?«, erwiderte er. »Wir irren uns selten, und unsere Ergebnisse haben nichts mit Kristallkugeln, Tarotkarten oder den Eingeweiden irgendwelcher Opfertiere zu tun.«
    Das klang nach der sanften elterlichen Zurechtweisung eines eigensinnigen Kindes, und Lynley erwog ein halbes Dutzend Möglichkeiten, die Oberhand zurückzugewinnen. Doch sie alle bedeuteten Zeitverschwendung, also sagte er: »Sollen wir vielleicht noch einmal von vorn miteinander anfangen?«
    Dieses Mal war Robsons Lächeln echt. »Danke«, sagte er und erklärte Lynley, dass man, um einen Mörder kennen zu lernen, lediglich das Verbrechen betrachten müsse. Damit hatten die Amerikaner begonnen, als das FBI seine Verhaltensforschungsabteilung gegründet hatte. Indem sie im Lauf der Jahrzehnte, während sie Serienmörder gejagt hatten, alle Informationen gesammelt und inhaftierte Serienmörder dutzendweise befragt hatten, war herausgekommen, dass es gewisse Übereinstimmungen im Verhalten gab, auf deren Vorhandensein im Profil bestimmter Verbrecher man sich verlassen konnte. In diesem Fall durften sie beispielsweise mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Morde Machtdemonstrationen waren, wenngleich der Täter sagen würde, dass er aus einem völlig anderen Grund töte.
    »Er tötet nicht einfach für den Nervenkitzel?«
    »Ganz und gar nicht«, antwortete Robson. »Es hat tatsächlich überhaupt nichts mit Nervenkitzel zu

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