13 - Wo kein Zeuge ist
Meter fünfundneunzig großer Kollege sich in ihren Mini faltete. Grummelnd saß er schließlich da, die Knie an die Brust gepresst, sein Haar berührte das Dach.
Als es ihr schließlich gelungen war, den Motor zu starten, tuckerten sie Richtung Broadway. Von dort führte der Parliament Square zur Westminster Bridge und zu ihrem Weg über den Fluss. Dies hier war eher Winstons Territorium als Barbaras, und er übernahm die Aufgabe des Navigators, sobald linker Hand die York Road in Sicht kam. Von dort gelangten sie problemlos nach Southwark, wo Kimmo Thornes Tante und Großmutter in einem der ungezählten, unscheinbaren Mietshäuser wohnten, die nach dem Zweiten Weltkrieg südlich des Flusses aus dem Boden gestampft worden waren. Das Einzige, was das Haus auszeichnete, war seine Nähe zum Globe-Theater. Aber, wie Barbara boshaft anmerkte, es war kaum anzunehmen, dass irgendwer, der hier wohnte, sich die Karten leisten konnte.
Als sie die Wohnung der Familie Thorne erreichten, fanden sie Gran und Tante Sal auf dem Sofa. Drei gerahmte Fotografien standen vor ihnen auf dem Tisch, die sie stumm betrachteten. Sie hatten den Leichnam identifiziert, erklärte Tante Sal. »Ich wollte nicht, dass Mum hinging, aber sie hat sich von mir nichts sagen lassen. Es hat sie verdammt mitgenommen, unseren Kimmo so daliegen zu sehen. Er war ein guter Junge. Ich hoffe, sie hängen den Kerl, der das getan hat.«
Gran sagte nichts. Sie schien unter Schock zu stehen. Ihre Hand war um ein weißes Taschentuch gekrampft, das am Rand mit lila Häschen bestickt war. Unverwandt blickte sie auf eines der Fotos, das ihren Enkel in einer eigentümlichen Aufmachung zeigte, als sei er auf dem Weg zu einer Kostümparty: eine merkwürdige Kombination aus Lippenstift, Irokesenschnitt, grünen Nylons, einem Robin-Hood-Leibchen und Doc Martens. Die alte Dame drückte das Taschentuch auf die Augen, wann immer ihr im Laufe des Gesprächs die Tränen kamen.
Die Polizei tue alles, um den Mörder des jungen Mannes zu fassen, versicherte Barbara Kimmo Thornes Großmutter und Tante. Es wäre eine große Hilfe, wenn Miss und Mrs. Thorne ihnen alles über den letzten Tag im Leben des Jungen erzählen könnten, was sie wussten.
Barbara begriff, nachdem sie all das gesagt hatte, dass sie automatisch ihre alte Rolle übernommen hatte, die jetzt aber Nkata zustand. Sie schnitt eine kleine, verdrießliche Grimasse und warf ihm einen Blick zu. Er hob die Hand und signalisierte: Schon in Ordnung. Die Geste hatte geradezu unheimliche Ähnlichkeit mit einer, die Lynley unter den gleichen Umständen vielleicht gemacht hätte. Barbara förderte ihr Notizbuch zutage.
Tante Sal nahm die Bitte wörtlich. Sie fing damit an, dass Kimmo morgens aufgestanden war. Er hatte seine übliche Montur angezogen ...
»Leggings, Stiefel, ein viel zu großer Pulli, diesen hübschen brasilianischen Schal um die Hüften geknotet ... den seine Eltern ihm zu Weihnachten geschickt haben, weißt du noch, Mum?«
... und hatte sein Make-up aufgelegt. Dann hatte er Cornflakes und Tee gefrühstückt und war zur Schule gegangen.
Barbara wechselte einen Blick mit Nkata. In Anbetracht der Beschreibung des Jungen, der Fotos auf dem Tisch und der Nähe zum Globe, ergab die nächste Frage sich praktisch von selbst. Nkata stellte sie. Nahm Kimmo Unterricht am Theater? Schauspielstunden oder Ähnliches?
Oh, ihr Kimmo war fürs Drama geschaffen, da gab es keine Zweifel, versicherte Tante Sal. Aber nein, er hatte keinen Unterricht am Globe oder sonst irgendwo. Dies, stellte sich heraus, war seine normale Aufmachung, wann immer er die Wohnung verließ. Oder genau genommen auch, wenn er sie nicht verließ.
Barbara ließ seine Bekleidung für den Moment beiseite und fragte: »Das heißt, er hat regelmäßig Make-up getragen?« Als die beiden Frauen nickten, hakte Barbara eine ihrer Arbeitshypothesen ab, dass nämlich der Täter irgendwo Make-up gekauft und auf das Gesicht des jüngsten Opfers geschmiert hatte. Und doch schien es unwahrscheinlich, dass Kimmo in solch einer Aufmachung zur Schule gegangen sein sollte. Mit Sicherheit hätten seine Tante und Großmutter etwas vom Schuldirektor gehört, wenn das der Fall gewesen wäre. Trotzdem fragte sie, ob Kimmo am Tag seines Todes pünktlich von der Schule - oder wo immer er auch gewesen war - nach Hause gekommen sei.
Sie sagten, er sei wie üblich gegen sechs nach Hause gekommen, und wie üblich hatten sie zusammen zu Abend gegessen. Gran hatte ihnen
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