13 - Wo kein Zeuge ist
lassen.
»Woher hatte er die Kohle für all das hier?«, fragte Barbara, nachdem Tante Sal sie allein gelassen hatte, um die Habseligkeiten des toten Jungen durchzugehen. »Einen Job hat sie nicht erwähnt, oder?«
»Bringt einen zu der Frage, was Blinker ihm wirklich zum Verkaufen gegeben hat«, erwiderte Nkata.
»Drogen?«
Er wiegte den Kopf hin und her. Vielleicht ja, vielleicht nein. »Eine Menge von was auch immer«, sagte er.
»Wir müssen diesen Typen finden, Winnie.«
»Das sollte nicht schwierig sein. Irgendwer in der Siedlung kennt ihn bestimmt, wenn wir lange genug rumfragen. Irgendwer kennt sie immer.«
Sie fanden in Kimmos Zimmer wenig Nützliches für ihre Ermittlung. Ein kleiner Stapel Grußkarten - Geburtstag, Weihnachten und ein paar zu Ostern, alle unterschrieben mit: »Alles Liebe, Schatz, von Mummy und Dad« - war in einer Schublade versteckt, zusammen mit einem Foto von einem braungebrannten Paar in den Dreißigern auf einem Balkon vor einer sonnigen, südländischen Kulisse. Unter einem Häuflein Modeschmuck auf dem Frisiertisch kam ein vergilbter Zeitungsartikel über ein transsexuelles Model zutage, das in grauer Vorzeit von den Boulevardzeitungen enttarnt worden war. Eine Frisurenzeitschrift hätte unter anderen Umständen vielleicht auf einen Berufswunsch hindeuten können.
Davon abgesehen fanden sie hauptsächlich solche Dinge, die man im Zimmer eines Fünfzehnjährigen erwartete: übelriechende Schuhe, zusammengeknüllte Unterhosen unter dem Bett, einsame Socken - typisch, bis auf all die Gegenstände, die es zu einer hermaphroditischen Kuriosität machten.
Als sie alles in Augenschein genommen hatten, trat Barbara einen Schritt zurück und sagte zu Nkata: »Winnie, was, denkst du, hat er wirklich getrieben?«
Nkata sah sich noch einmal im Zimmer um. »Ich hab so ein Gefühl, als könnte Blinker uns das sagen.«
Sie wussten beide, dass es keinen Sinn hatte, diesen Blinker jetzt aufzuspüren. Morgens früh hätten sie bessere Chancen, wenn die Menschen in der Siedlung, wo Blinker wohnte, sich auf den Weg zur Arbeit machten. Also gingen sie zu Tante Sal und Gran zurück, und Barbara fragte sie nach Kimmos Eltern. Es war der traurige kleine Stapel von Grußkarten in seinem Zimmer, der die Frage provoziert hatte, weniger ihre Ermittlungen, und das, was dieser Stapel Grußkarten über die Prioritäten im Leben der Menschen aussagte.
»Oh, die sind in Südamerika«, antwortete Gran. »Schon seit kurz vor Kimmos achtem Geburtstag. Sein Dad ist im Hotelbusiness, verstehen Sie, und sie leiten dort ein luxuriöses Wellnesshotel.« Sie wollten Kimmo nachkommen lassen, sobald sie sich richtig eingelebt hatten. Aber seine Mum wollte zuerst die Sprache lernen, und das dauerte länger als erwartet.
Hatte man sie über Kimmos Tod informiert?, wollte Barbara wissen. Weil ...
Gran und Tante Sal hatten einen Blick getauscht.
... sie wollten doch sicher Vorkehrungen treffen, um so schnell wie möglich nach Hause kommen zu können?
Sie sagte dies, weil sie wollte, dass die beiden Frauen bestätigen mussten, was sie vermutete: Kimmos Eltern waren nur wegen einer Eizelle, eines Samens und einer zufälligen Verschmelzung Eltern. Sie hatten sich um wichtigere Dinge zu kümmern als um das Ergebnis eines erotischen Augenblicks.
Was Barbaras Gedanken auf die anderen Opfer lenkte. Und auf die Frage, was es sein mochte, das sie alle verband.
5
Zwei Neuigkeiten aus dem Forensiklabor SO7 sorgten am nächsten Tag für das, was derzeit als gute Laune herhalten musste. Die Reifenabdrücke aus St. George's Gardens waren einem Hersteller zugeordnet worden. Einer der Abdrücke wies obendrein ein eigentümliches Abnutzungsmuster auf, das dem Anklagevertreter gefallen würde, wenn und falls Scotland Yard jemanden verhaftete, der im Besitz dieser Reifen und eines passenden Fahrzeugs war. Die zweite Neuigkeit betraf die Rückstände auf den Pedalen und der Gangschaltung des Fahrrads aus St. George's Gardens wie auch die Rückstände auf allen anderen Leichen: Es handelte sich in allen Fällen um die gleiche Substanz. Daraus schlossen die Mordermittler, dass Kimmo Thorne mitsamt Fahrrad irgendwo aufgelesen und an einem anderen Ort ermordet worden war und dass sein Mörder ihn, das Fahrrad und wahrscheinlich auch die Silberrahmen anschließend in St.
George's Gardens abgeladen hatte. All dies bedeutete nur kleine Fortschritte, aber wenigstens Fortschritte. Als Hamish Robson daher mit seinem Bericht zurückkam,
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