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13 - Wo kein Zeuge ist

13 - Wo kein Zeuge ist

Titel: 13 - Wo kein Zeuge ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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loswerden, aber ebenso dringend musste er nachsehen. Irgendwie wusste er, dass dieses Gebäude die Bestätigung enthielt, die er brauchte, ehe er handeln konnte. »Tut mir Leid«, sagte er. »Ich wusste nicht, dass es privat ist. Ich sah ein paar Typen rauskommen und hab mich gefragt, was das hier wohl ist. Ich bin neu in der Gegend.«
    Der Mann betrachtete ihn wortlos.
    Fu fügte hinzu: »Ich such eine neue Bleibe.« Er lächelte leutselig. »Darum sehe ich mich ein bisschen in der Gegend um. Tut mir Leid. Ich wollte niemandem zu nahe kommen.« Er ließ die Schultern effektvoll herabhängen. Er trat den Rückzug zum Ausgang an, wenngleich er keinerlei Absicht hatte, das Gebäude zu verlassen, und selbst wenn dieser Rüpel ihn zwang zu gehen, würde er zurückkommen, sobald dieser Kerl verschwunden war.
    Der Schwarze sagte: »Dann sieh dich ruhig um. Aber geh niemandem auf den Wecker, kapiert?«
    Fu spürte Zorn in sich aufsteigen. Der Tonfall, die Dreistigkeit dieses Befehls. Er atmete Ruhe ein, mitsamt der abgestandenen Luft auf dem Korridor, und fragte: »Was ist das hier?«
    »Boxhalle. Du kannst dich umsehen. Aber versuch, nicht wie ein Sandsack auszusehen.« Damit verschwand der Schwarze, lachte über seinen dümmlichen Scherz. Fu schaute ihm nach. Er stellte fest, dass er den Drang verspürte, ihm zu folgen, ihn wissen zu lassen, mit wem er gerade gesprochen hatte. Der Drang steigerte sich rasch zu einem Hunger, doch er weigerte sich, ihm nachzugeben. Stattdessen näherte er sich der hell erleuchteten Türöffnung, blieb selbst im Schatten und spähte in den Raum, aus dem die Grunzlaute und Schläge kamen.
    Sandsäcke, Punching Balls, zwei Boxringe. Hanteln. Ein Laufband. Springseile. Zwei Videokameras. Überall sah man Ausrüstung und Männer, die sie benutzten. Mehrheitlich Schwarze, aber ein halbes Dutzend weißer Jugendlicher war auch darunter. Und der Mann, der die Anweisungen gebrüllt hatte, war ebenfalls weiß: kahlköpfig wie ein Baby, ein graues Handtuch um die Schultern. Er trainierte zwei Boxer im Ring. Sie waren schwarz, schwitzten und hechelten wie überhitzte Hunde.
    Fu sah sich nach dem Jungen um und entdeckte ihn an einem Sandsack, auf den er eindrosch. Er hatte sich umgezogen und trug nun einen Trainingsanzug. Halbmonde aus Schweiß hatten sich bereits auf der Jacke gebildet.
    Fu beobachtete, wie er den Sandsack ohne Stil und Präzision bearbeitete. Er warf sich regelrecht auf ihn, prügelte hemmungslos darauf ein, ohne seine Umgebung wahrzunehmen.
    Ah, dachte Fu. Die Fahrt quer durch London war das Risiko also doch wert gewesen. Was sich ihm hier offenbarte, war sogar den Zusammenstoß mit dem Rüpel auf der Treppe wert. Denn im Gegensatz zu allen bisherigen Gelegenheiten, da Fu den Jungen hatte beobachten können, zeigte der Erwählte sich hier unmaskiert.
    Er trug einen Zorn in sich, der Fus eigenem entsprach. Der bedurfte in der Tat der Erlösung.
    Zum zweiten Mal fuhr Winston Nkata nicht direkt nach Hause. Stattdessen folgte er dem Fluss bis zur Vauxhall Bridge, wo er ihn überquerte und wiederum den Cricket-Oval umfuhr. Er tat es, ohne nachzudenken, sagte sich lediglich, es sei an der Zeit. Die Pressekonferenz hatte alles einfacher gemacht. Inzwischen hatte Yasmin Edwards sicher von den Morden gehört, und der Zweck seines Besuchs war, ihr jene Details vor Augen zu führen, deren Bedeutung sie womöglich nicht völlig verstanden hatte.
    Erst als er gegenüber des Doddington Grove Estate geparkt hatte, kam er wieder zu Verstand - oder dem, was als sein Verstand herhalten musste. Und das, stellte sich heraus, war keine ideale Situation, denn mit seinem Verstand kamen auch seine Empfindungen zurück, und was er empfand, als er dasaß und mit den Fingern aufs Lenkrad trommelte, war vor allem Feigheit.
    Einerseits hatte er die Ausrede, nach der er gesucht hatte. Darüber hinaus tat er hier nur die Pflicht, die er sich selbst auferlegt hatte. Es war doch wohl keine große Sache, ihr die notwendigen Informationen zu geben. Also, warum drohten ihm die Nerven durchzugehen, obwohl er hier nur seinen Job machte? Er kam einfach nicht dahinter.
    Allerdings wusste Nkata sehr wohl, dass er sich selbst belog. Es gab ein halbes Dutzend guter Gründe, warum er zögerte, zu der Wohnung im dritten Stock hinaufzufahren. Und das, was er der Frau, die dort lebte, absichtlich angetan hatte, war nicht der unwichtigste dieser Gründe.
    Er hatte sich nie wirklich eingestanden, warum er es zu seiner Aufgabe

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