13 - Wo kein Zeuge ist
gemacht hatte, Yasmin Edwards von der Untreue ihrer Geliebten in Kenntnis zu setzen. Es war eine Sache, in bester Absicht einen Mörder zu verfolgen, eine ganz andere, sich zu wünschen, dieser Mörder möge die Person sein, die Nkata im Weg stand, zwischen ihm und ... was? Er wollte diese Frage nicht genauer betrachten.
»Mach endlich, Mann«, sagte er und öffnete die Wagentür. Yasmin Edwards mochte ihren Mann erstochen und dafür gesessen haben. Aber die eine Sache, die er mit Sicherheit wusste, war, dass, wenn es zwischen ihnen zur Messerstecherei kommen sollte, er auf jeden Fall über die größere Erfahrung verfügte.
Es hatte eine Zeit gegeben, als er bei einer anderen Wohnung geklingelt und dem Bewohner am anderen Ende der Sprechanlage erklärt hätte, er sei ein Cop, damit er in die dritte Etage hinauffahren und an Yasmin Edwards Tür klopfen konnte, ohne dass sie vorgewarnt war. Doch das gestattete er sich jetzt nicht. Stattdessen drückte er ihre Klingel, und als er ihre Stimme hörte, die fragte, wer da sei, antwortete er: »Polizei, Mrs. Edwards. Ich muss Sie kurz sprechen.«
Ihr Zögern brachte ihn zu der Frage, ob sie seine Stimme erkannt hatte. Doch im nächsten Moment drückte sie den Knopf, der den Lift freigab. Die Tür glitt auf, und Nkata trat ein.
Er dachte, sie würde vielleicht an der geöffneten Wohnungstür auf ihn warten, doch diese war so fest verschlossen wie eh und je, und als er näher kam, sah er, dass auch die Vorhänge am Wohnzimmerfenster zugezogen waren. Doch als er klopfte, öffnete sie umgehend, was ihm verriet, dass sie hinter der Tür auf ihn gewartet hatte.
Sie betrachtete ihn mit ausdrucksloser Miene, und sie brauchte den Kopf kaum zu heben, um es zu tun. Denn Yasmin Edwards war elegante ein Meter achtzig groß und heute eine ebenso imposante Erscheinung wie bei ihrer ersten Begegnung. Sie hatte ihre Arbeitskleidung abgelegt und trug einen gestreiften Pyjama - und sonst nichts. Nkata kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie absichtlich keinen Morgenmantel angezogen hatte, als sie hörte, wer sie besuchte. Es war ihre Art, zu signalisieren, dass sie sich vor der Polizei nicht mehr fürchtete, die sich ihr bereits von ihrer schlechtesten Seite gezeigt hatte.
Yas, Yas, wollte er sagen. So muss es nicht sein.
Stattdessen begann er mit: »Mrs. Edwards.« Er griff in die Innentasche nach seinem Dienstausweis, als glaube er, sie habe vergessen, wer er war.
»Was woll'n Sie, Mann?«, fragte sie. »Suchen Sie hier schon wieder nach einem Mörder? In dieser Wohnung ist keiner außer mir, der dazu fähig war, also für wann brauch ich das Alibi?«
Nkata stopfte den Ausweis zurück in die Tasche. Er seufzte nicht, obwohl er es gern getan hätte. »Kann ich Sie kurz sprechen, Mrs. Edwards? Um die Wahrheit zu sagen, es geht um Dan.«
Sie wirkte erschrocken, auch wenn sie sich bemühte, es zu verbergen. Doch da sie irgendeinen faulen Trick erwartete, blieb sie, wo sie war, versperrte Nkata den Weg in die Wohnung. »Sagen Sie mir, was Sie von Daniel wollen, Constable.«
»Sergeant neuerdings«, entgegnete Nkata. »Oder ist das noch schlimmer?«
Sie legte den Kopf schräg. Er stellte fest, dass er den Klang und den Anblick ihrer kleinen, perlenbewehrten Zöpfe vermisste, wenngleich das kurz geschnittene Haar ihr ebenso gut stand. Sie sagte: »Sergeant, ja? Sind Sie gekommen, um Daniel das zu erzählen?«
»Ich bin nicht hier, um mit Daniel zu reden«, erklärte er geduldig. »Sondern mit Ihnen. Über Daniel. Ich kann das hier draußen tun, wenn es das ist, was Sie wollen, Mrs. Edwards, aber wenn Sie noch lange hier stehen, wird Ihnen noch kälter.« Er spürte sein Gesicht heiß werden, weil seine Worte verrieten, was er bemerkt hatte: die Brustwarzen, die sich unter dem Pyjamaoberteil deutlich abzeichneten, die Gänsehaut an ihrem entblößten, walnussfarbenen Hals oberhalb des V-Ausschnitts. So gut er konnte, vermied Nkata, die Körperpartien anzuschauen, die der eisigen Winterkälte ausgesetzt waren, und dennoch sah er die glatte, elegante Wölbung ihres Halses und unter dem rechten Ohr das kleine Muttermal, das ihm nie zuvor aufgefallen war.
Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu, griff hinter die Tür, wo, wie er wusste, einige Garderobenhaken angebracht waren, und förderte eine dicke Strickjacke zutage. Sie ließ sich Zeit, sie anzuziehen und bis zum Hals zuzuknöpfen. Als sie zu ihrer Zufriedenheit bekleidet war, schenkte sie ihm wieder ihre Aufmerksamkeit.
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