130 - Das Mädchen mit den Monsteraugen
fallende Licht reichte aus, um sich bequem zurechtzufinden.
Vivian Mail stand am Fenster und starrte mit brennenden Augen in den nächtlichen Garten. Nervös bewegte und drückte sie die Hände aneinander.
»Was hast du, Vivian? So sag’ es mir doch endlich.«
»Ich fühle mich nicht mehr sicher im Haus, Ed«, erwiderte sie dumpf. »Ich habe panische Angst. Vor Bette, unserer Tochter« Sie betonte dieses »unserer« so auffällig und hart, daß es dem Mann einen Stich ins Herz gab.
»Sie wollte mich heute abend töten, Ed !«
*
Er starrte sie an wie einen Geist.
»Vivian !« stieß er dann hervor, und es war ihm anzusehen, daß er sich mühsam beherrschen mußte, um nicht ausfallend zu werden. »Ich habe mich gefreut, nach Hause zu kommen ...« Edgar Mail stand hinter seiner Frau und legte die Hände auf ihre schmalen Schultern. »Ich habe auch gehofft, daß dieses Thema nie wieder Gegenstand eines Gesprächs zwischen uns wird. Wie kommst du auf eine derartig unhaltbare und ungeheuerliche Anschuldigung ?«
Vivian Mail wirbelte auf dem Absatz herum und krallte ihre spitzen Fingernägel in seinen Oberarm, daß er es schmerzhaft auf der Haut spürte. »Es klingt absurd in deinen Ohren, ich weiß...«, stieß sie erregt hervor. »So war es schon immer. Nach jenem rätselhaften Fieber, das sie als Siebenjährige hatte, war >unsere< Bette verändert .«
»Das hast du dir eingebildet, Vivian«, sagte er leise und ruhig. »Du hast damals nächtelang an ihrem Bett gesessen und ihre fieberheiße Hand gehalten und befürchtet, dein Kind würde sterben ... Aber Bette kam davon. Es war wie ein Wunder !«
»Aber danach hatte sie sich verändert. Sie stellte fürchterliche Dinge an, bedrohte mich einige Male und hat mir Dinge an den Kopf geworfen, die ein Kind in ihrem Alter normalerweise nicht sagt und überhaupt nicht wissen kann und ...«
»Ich weiß! Darüber haben wir lange und ausführlich gesprochen. Mir - das weißt du - ist so etwas nicht in einem einzigen Fall aufgefallen .«
»Kein Wunder, Ed. Sie hat das alles immer dann getan, wenn du nicht im Haus warst .«
»Aber Mutter war doch auch da. Ich habe mit ihr darüber gesprochen. Und ihr ist genauso wenig aufgefallen wie mir .«
»Deine Mutter wurde von dem kleinen Biest getäuscht - wie es dich täuscht, Ed !«
»Nenne sie nicht schon wieder Biest. Ich kann das nicht hören, das weißt du .«
»Aber sie ist eines! Sie haßt mich und will mich vernichten ... Ihre Augen, es ist etwas in ihren Augen, das ich nicht beschreiben kann. Wenn sie mich ansieht, überläuft es mich eiskalt .«
Edgar Mail nickte. »Ich weiß. Ich kenne diese Beschreibung nur zu gut. Ich habe sie mir schließlich in den vergangenen Jahren mehr als einmal anhören müssen. Das Ganze hat psychologische Gründe, wie du weißt. Dr. Handkins hat dir damals die Zusammenhänge genau erklärt...
Du siehst, wie deine Tochter groß und schön wird, während du selbst älter wirst. Viele Frauen haben Angst, älter zu werden, Jugend und Attraktivität zu verlieren. Aber das ist Unsinn, wie du weißt. Ich liebe dich noch genau so, du hast nichts von deiner Schönheit eingebüßt, Vivian, auch wenn du heute eine achtzehnjährige Tochter hast und selbst vierzig bist - du bist nach wie vor eine schöne und attraktive Frau, und ich begehre dich mehr denn je.«
»Ich brauche keinen Trost vorm Alter, Ed - sondern Verständnis und Rat. Vergiß alles, was Dr. Handkins damals gesagt hat. Er hat unrecht! Er weiß nichts, weil er nie dabei war.
Bette ist eine hervorragende Schauspielerin, hat alles immer wunderbar so gedreht, wie es ihr gerade paßte. Sie hat mich als die geifernde, nervöse Mutter hingestellt, die das kleine Mädchen nicht leiden kann. Ich kann sie auch nicht leiden. Sie lacht mich aus, beschimpft mich und wirft mir unflätige Worte an den Kopf. Sie nennt mich eine Nutte und ...«
Vivian Mail konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Schluchzend preßte sie sich an Eds Schulter.
»Okay, Vivian. Erzähl mir, was am Abend geschehen ist, damit ich mir ein Bild machen kann .«
Es verging eine Minute, ehe sie darauf antwortete.
»Ich war in der Küche. Es war gegen acht. Ich war ziemlich spät dran ... Das Geschirr wollte ich unbedingt noch abwaschen. Plötzlich merke ich, daß jemand hinter mir steht. Bette ...«
»Sie war gekommen, um dir zu helfen? «
»Unsinn! Sie hat mir noch nie geholfen! Einige Male hatte ich sie darum gebeten. Da hat sie die Teller und Tassen
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