1300 - Die Gänger des Netzes
es war. Das psionische Netz kannte mein Reiseziel und steuerte mich automatisch.
Es ist schwer, räumliche Begriffe des vierdimensionalen Kontinuums in die Sprache des Psiraums zu übersetzen. Räumliche Abmessungen haben im Hyperraum eine andere Bedeutung als im Standarduniversum. Im Jargon der Netzgänger ist die Rede davon, dass ein Präferenzstrahl diesen oder jenen Planeten berühre. Das Bild ist irreführend. Könnte man das Sonnensystem, dem besagter Planet angehört, in den Psiraum projizieren, so stellte man fest, dass der Präferenzstrang es gänzlich einhüllt. Es ist also niemals eine Frage, ob der Strang, in dem der Gänger des Netzes reist, das Ziel auch wirklich genau trifft oder etwa an ihm vorbeischießt. Das Ziel mitsamt seiner Umgebung ist in den Strang eingebettet.
Die rote Sonne rückte beiseite. Ein Planet, dessen Oberfläche mir in kräftigem Türkis entgegenleuchtete, glitt ins Zentrum des Bildes. Das war Som-Ussad. Das Farbenspiel des Psiraums wich vor mir zurück, während die fremde Welt scheinbar auf mich zukam. Noch immer zogen sich neblige Schleier über das Bild, wie um anzudeuten, dass ich das, was ich sah, eigentlich nicht hätte sehen dürfen. Eine. Kopplung zwischen meinem Bewusstsein und den psionischen Kräften des Alls bewirkte, dass die Gesetze der konventionellen Wahrnehmung vorübergehend ihre Gültigkeit verloren. Ich blickte durch einen ansonsten undurchsichtigen optischen Potentialwall hindurch. Einen Tunneleffekt nannte Perry das.
Das fremde Land breitete sich vor mir aus. Ich sah weite, mit dichtem Pflanzenwuchs bedeckte Ebenen, steil aufragende Gebirgsmassen, die bis zu den Gipfeln hinauf Vegetation trugen, und die violetten Flächen großer Meere. Ich erblickte mächtige Ströme, die sich ihren Weg durch das Waldland bahnten, und an ihren Ufern ein paar winzige Siedlungen, die aus primitiven Hütten zu bestehen schienen. Als ich näher kam, erkannte ich auch eine Anzahl von Pfaden, die durch den Wald führten. Einen davon wählte ich mir als Ziel. Er hatte einen verschlungenen Verlauf, als wäre er von einem Betrunkenen angelegt worden. An einer Stelle gab es eine breite Ausbuchtung, eine Lichtung inmitten des Dschungels, auf deren Grund das dunkle Wasser eines Tümpels glitzerte.
Ich konzentrierte mich auf den Tümpel. Diesmal, das spürte ich sofort, gelang es mir besser als je zuvor. Ich verdrängte alles andere aus meinem Gesichtskreis. Nur die kleine, brackige Wasserfläche und ein paar niedrige Sträucher an ihrem Rand sah ich noch. Das Psionische Netz reagierte. Ich fühlte, wie es sich anschickte, mich aus seinem Griff zu entlassen. Der Nebel lichtete sich zusehends. Meine Konzentration reichte aus. Diesmal wusste das Netz genau, wo ich abgesetzt werden wollte. Ich war nach meiner Schätz1.lng noch zweihundert Meter hoch und sank nicht schneller als ein fallendes Blatt. Und dann war auf einmal alles ganz anders. Ich stand. Ich hatte festen Boden unter den Füßen. Ich besaß wieder einen Körper, und mein Körper hatte Gewicht. Ich entriegelte den Helm. Er sank nach hinten, faltete sich zu einem flachen Paket zusammen und verschwand in einer Tasche auf der Schulter. Ein Durcheinander fremder Gerüche drang auf mich ein. Die Luft war warm und feucht. Aus dem Dickicht des Waldes kamen die Geräusche von Tieren.
Ich sah mich um. Lange wollte ich mich hier nicht aufhalten. Ich hatte die Lektion gelernt, die Gesil und Perry mir hatten beibringen wollen: Die Nähe der Kalmenzone bedeutet Gefahr. Jenseits des Tümpels schwebte eine halbkugelige, blasse Leuchterscheinung über dem Boden der Lichtung.
Das war gut. Die Halbkugel markierte einen Punkt, an dem der Einstieg in das Psionische Netz sich mit besonderer Leichtigkeit bewerkstelligen ließ.
Ich hätte mich von der Oberfläche dieses Planeten aus an jedem Ort in das Netz einfädeln können, aber das Einfädeln erforderte Konzentration, die man in Augenblicken der Gefahr mitunter nicht aufbringt. Um von einem beliebigen Punkt auf Som-Ussad zurück in das Netz zu springen, hätte ich mich auf dieselbe Art und Weise konzentrieren müssen wie am Südwestzipfel unseres Gartens, daheim in Hagen. Die schimmernde Halbkugel bot mir eine raschere und leichtere Möglichkeit. Ich war erleichtert, denn irgendwie kam es mir hier nicht ganz geheuer vor. Der düstere Wald strömte eine Ahnung von Gefahr aus.
Ich machte mich auf den Weg, das kleine Gewässer zu umrunden. Die blasse Halbkugel war nur für meine Augen
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