1300 - Die Gänger des Netzes

Standardkontinuum. Der Netzgänger, der ein solches Ziel ansteuerte, verließ den Psiraum für die Dauer seines Aufenthalts innerhalb der Station. Ich spürte, wie mein Flug sich allmählich verlangsamte. Ich näherte mich dem Ziel. Das Bild, das ich vor mir sah, kam mir plötzlich verändert vor. Ich musste eine Zeitlang nach der Ursache suchen. Es war mir nicht unmittelbar klar, was mir anders erschien als zuvor. Dann erkannte ich es. Weit voraus gab es kein Psionisches Netz mehr. Die matt- oder leuchtend grünen Stränge des Netzes endeten wie abgeschnitten entlang einer sanft geschwungenen Linie, die sich quer durch mein Blickfeld zog.
    Nur das hatte sich geändert. Ansonsten war das Bild das gleiche: Wie Feuerräder drehten sich die Sonnen und Sternballungen der Galaxis Siam Sam, und in düsteren roten, grünen und blauen Bahnen zogen sich Wolken interstellarer Materie durch die Heere der Gestirne. Ich wandte mich um und blickte zurück. Wenigstens wollte ich mich umwenden und hatte auch das Gefühl, dass ich es wirklich tat. Dabei war ich körperlos, und ich hätte nicht erklären können, womit ich die Wendung vollzog. Auf jeden Fall sah ich dorthin, woher ich gekommen war. Das Psionische Netz war allgegenwärtig. Seine Fäden zogen sich durch das Gewirr der Sterne und Galaxien, durch das Gewaber des intergalaktischen Raumes.
    Nur vor mir - da gab es kein Netz mehr. Der Anblick begann mich zu faszinieren. Ich wollte wissen, wie es dort aussah, wo die Netzlinien aufhörten.
    Ich hatte die Große Kalmenzone von Siom Som zuvor schon gesehen, aber damals, in Perrys Begleitung, war ich nicht so nahe gewesen wie jetzt. Ich erblickte im Innern der Zone ein Gewirr dünner, bläulichroter Linien, die sich von einer Sonne zur andern zu schlängeln schienen. Das waren die Verkehrswege, die die Heraldischen Tore untereinander verbanden. Auch sie bestanden aus psionischer Energie. Aber es war nicht die Energie des großen Netzes. Es war eine verfälschte, durch die Heraldischen Tore modulierte Kraft, die dort wirkte.
    Wie mochte es sein, wenn ein Gänger des Netzes sich in den Bereich der blauroten Stränge verirrte? War er wirklich so hilflos, wie sie auf Sabhal sagten? Ich hätte es ausprobieren mögen. Ich war drauf und dran, dem Syntron Anweisung zur Änderung des Zieles zu geben. Da erkannte ich, was in meinem Bewusstsein vorging. Die Lockung der Kalmen! Wie oft hatten Gesil und Perry zu mir davon gesprochen. Der Gänger des Netzes, wiewohl er wusste, was die verfälschten Psifeldlinien der Ewigen Krieger für ihn darstellten, fühlte sich von ihnen angezogen. Ein Sirenengesang schien von dem falschen Netz auszugehen, der den Gänger anlockte. Von Obeah wusste ich, dass der Ewige Krieger Krovor in der Galaxis Dhatabaar ein estartisches Wunder geschaffen hatte, das eine noch weitaus stärkere Lockung ausstrahlte. Manch einer der Netzgänger war in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden dem Lockruf gefolgt und spurlos verschollen. Das Wunder des Kriegers Krovor hieß, ins Terranische übertragen, die Charybdischen Sirenen von Dhatabaar. Obeah hatte die Gefahr, die von ihnen ausging, in düsteren, drohenden Farben zu schildern gewusst.
    Wie hätte ich mich verhalten, fragte ich mich, wenn Dhatabaar anstelle von Siam Som mein Ziel gewesen wäre? Ich hätte die Lockung des falschen Netzes der Heraldischen Tore deutlich gespürt. Fast hätte ich ihr nachgegeben. Wäre. ich in Dhatabaar, so wie hier, noch rechtzeitig zur Besinnung gekommen? Oder hätte ich mich einfangen lassen wie so viele vor mir? Ich wusste die Antwort nicht. Aber ich begriff jetzt, was Perry und Gesil hatten sagen wollen, als sie mich vor den Gefahren der Großen Kalmenzone warnten. Ich hatte meine Lektion gelernt.
    Mein Flug wurde jetzt zusehends langsamer. Die bunten Farbenwirbel der Sonnen und Sternhaufen glitten weniger rasch an mir vorüber. Vor aus, in Flugrichtung, unmittelbar vor der Linie, an der das Psionische Netz endete, entstand ein nebliger Fleck. Drei blasse Fäden von Normsträngen und die kräftig leuchtende Linie eines Präferenzstrangs verschwanden darin, ohne auf der anderen Seite wieder zum Vorschein zu kommen. Das war mein Ziel. Der Nebel lichtete sich allmählich. Die Fläche, die er bedeckte, schien wie ein Loch in der Wand des Psiraums, durch das 'ich hinaus ins Standarduniversum blicken konnte. Ich sah eine große rote Sonne, umgeben von mehreren Planeten. Einer davon war Som-Ussad. Ich brauchte nicht zu wissen, welcher