1300 - Die Templerin
großen Wucht, dass sie eigentlich hätte zusammenbrechen müssen, aber sie blieb auf den Beinen und lachte sogar die Wand an.
Lorenzo verstand die Welt nicht mehr!
Er zögerte den zweiten Schlag hinaus. Er starrte auf den Rücken der Frau, der völlig normal aussah. Es war kein Stück Haut aufgerissen worden. Es gab weder eine Wunde noch sickerte Blut über den Rücken. Das begriff Lorenzo nicht. Er schüttelte den Kopf und schlug erneut zu.
Diesmal legte er all seine Kraft in den Schlag hinein. Einige Nonnen schrien auf, als das Leder durch die Luft pfiff und abermals den Körper der Frau voll erwischte.
Und wieder wurde keine Haut aufgerissen. Der Rücken blieb unangetastet. Der Schläger starrte fassungslos auf den Frauenkörper, und aus seinem Mund drang ein Laut, der an das Heulen eines Hundes erinnerte.
Auch die Soldaten und die Nonnen schwiegen. Totenstille hatte sich über den Klosterhof ausgebreitet, und nicht wenige Menschen hielten den Atem an.
Was sie hier sahen, überstieg ihren Verstand. Das konnten sie einfach nicht mehr mit sich selbst vereinbaren. Auch Lorenzo gehörte dazu, aber er wollte nicht aufgeben. Schließlich ging es auch um seine Reputation, und deshalb drosch er wieder zu.
Noch einmal auf die gleiche Stelle. Das Leder sprang beim Aufprall leicht zurück, aber der Rücken der Ketzerin blieb unverletzt.
Langsam sank der rechte Arm mit der Peitsche nach unten. Lorenzo konnte nichts mehr sagen. So etwas hatte er noch nie erlebt, und er dachte dann an das Verlies, in dem er persönlich die Frau verhört und gefoltert hatte.
Da war Ähnliches passiert. Zwar hatte er ihr einige Wunden zufügen können, doch sie waren so schnell verheilt, dass er mit eigenen Augen hatte zuschauen können.
Er drehte sich wieder um.
Viele Augenpaare starrten ihn an. Die Frauen und Männer warteten auf eine Erklärung, doch er konnte sie nicht geben. Er riss seinen Helm vom Kopf und schleuderte ihn zu Boden.
Zuerst sprach er leise. Danach immer lauter und schließlich schrie er sie alle an.
»Ihr habt es doch gesehen, nicht wahr? Ihr habt alles mitbekommen. Jeden einzelnen Schlag. Die Haut hätte platzen und das Blut hätte spritzen müssen, aber das ist nicht geschehen. Es passierte gar nichts, überhaupt nichts. Als hätte ich gegen einen Stein geschlagen und nicht gegen einen Körper.«
Ihm fiel nichts mehr ein, dafür sprachen andere. Eine Nonne schrie es heraus.
»Sie ist mit dem Teufel im Bunde! Ja, sie ist eine Tochter der Hölle! Eine verfluchte Hexe, und sie gehört ins Feuer!«
Das genau gab den Anstoß. Die Starre war vorbei. Plötzlich schrien zahlreiche Stimmen los. Die Menschen, die bisher unter dem Eindruck der Ereignisse gestanden hatten, machten sich nun Luft.
Es schwang auch eine gehörige Portion Angst mit.
»Ja, ins Feuer! So schnell wie möglich!«
Ob die Soldaten oder die Nonnen, sie alle reagierten gleich. Sie sprangen in die Höhe, stießen ihre Arme in die Luft, tanzten wie Derwische auf der Stelle und waren nicht mehr zu bremsen.
Lorenzo schaute auf die Meute. Niemand würde sie jetzt noch im Zaum halten können. Er versuchte es trotzdem, hob beide Arme und senkte sie dem Boden entgegen.
»Ruhig, ruhig, meine Getreuen. Es wird alles so geschehen, wie ihr es wollt. Ihr müsst mir glauben. Sie wird nicht überleben, das kann ich euch versprechen.«
Dass er ein kurzes Lachen hörte, war wohl nur Täuschung. Er achtete nicht weiter darauf und dachte auch nicht nach, denn Konstanza war wichtiger.
Langsam drehte er sich um. Die letzten Stimmen hinter seinem Rücken erstarben jetzt. Wieder breitete sich diese unnatürliche Stille aus.
Er ging zu ihr.
Direkt hinter ihr blieb er stehen. Er lauschte ihren Atemzügen.
Konstanza hatte die gefesselten Hände gegen die Wand gestemmt.
Sie roch nach Schmutz und nach Schweiß.
Es war alles so menschlich und normal zu begreifen. Er konnte nur nicht fassen, dass die Haut auf ihrem Rücken nicht zerfetzt war.
Das wollte ihm einfach nicht in den Kopf.
»Du hast gehört, was sie geschrien haben?«
»Habe ich!«
»Dann wirst du bald glühen!«
Lorenzo hörte wieder das Lachen, aber ihre Antwort passte einfach nicht dazu.
»Jeder Verurteilte hat einen letzten Wunsch, das weißt du, Lorenzo.«
»Sicher.«
»Auch ich habe einen.«
»Duuuu…? Ha, dass ich nicht …«
»Gewährst du ihn mir?«
»Was verlangst du?«
»Nicht viel. Ich möchte nicht in das Becken geworfen werden, sondern freiwillig hineinsteigen. Dazu müsste ich
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