1300 - Die Templerin
hatten den Ring dichter gezogen. Sie wollten so nahe wie möglich an die Hinrichtungsstätte heran, um nur ja alles mitzubekommen. Ihre Gesichter zeigten jetzt die Gefühle, die sie für Konstanza empfanden.
Hass und auch eine große Schadenfreude.
Die Kohle glühte. Kleine Flammen huschten zwischen den Stücken hin und her. Manche drängten sich nach oben und tanzten wie winzige bläuliche Speerspitzen über die Füllung hinweg.
Die abgestrahlte Hitze des Kessels erreichte bereits die Gesichter der kleinen Gruppe, als die sechs Soldaten stehen blieben und ihre Hände an Konstanza legten, damit die ihnen im letzten Augenblick nicht noch entwischte.
Niemand sprach mehr. Die Stille lag beklemmend über dem Vorhof des Klosters, und viele spürten bereits die unsichtbare Macht des Todes.
Es wurde Zeit für Lorenzo. Er trug die Verantwortung, und er wollte nahe dabei sein, wenn Konstanza in die glühenden Kohlen schritt. Aber würde sie es wirklich wagen?
Noch glaubte er es nicht. Überhaupt hatte sie ihn unsicher werden lassen. Auch jetzt hatte sie ihre Sicherheit behalten. Sie stand noch immer vor dem Becken wie eine Königin, angestrahlt durch die Röte, die sie noch geheimnisvoller und schöner aussehen ließ.
Er musste sich zwingen, direkt neben ihr stehen zu bleiben und sie anzuschauen. Ihm fiel das Lächeln auf, das sich um ihre Lippen gelegt hatte. Es irritierte ihn. Als er sprechen wollte, war sein Mund trocken geworden. Er hätte etwas trinken müssen. Jemand hätte ihm Wasser oder Wein reichen sollen, aber er traute sich nicht. Ihr gegenüber war seine Macht begrenzt. Er kam sich klein und hässlich vor.
Dass die Menschen um ihn herum sprachen und flüsterten, nahm er zwar wahr, doch es war ihm nicht möglich, etwas zu verstehen.
Die Stimmen gingen unter und rauschten an seinen Ohren vorbei.
Endlich schaffte Lorenzo es, eine Frage zu stellen. »Wirst du dein Versprechen halten?«
Ihre Lippen zuckten. Das Lächeln bekam einen anderen Ausdruck. Es wurde überheblich. »Ich halte es. Ich halte meine Versprechen immer, Folterknecht.«
»Wann?«
»Jetzt. Ihr habt alles vorbereitet – danke!«
Er verstand den Spott sehr gut. Es war heiß in der Nähe des Beckens. Trotzdem stieg ihm das Blut in den Kopf. Er hörte es in seinen Ohren rauschen. So etwas wie dieses Geschehen war ihm neu.
Seine Unsicherheit steigerte sich noch mehr. Die Augen weiteten sich. In den Pupillen malte sich das Feuer ab, und eine Frage musste er einfach stellen.
»Freust du dich darauf?«
»Der Tod ist nicht das Ende. Es gibt Kräfte und Mächte, die sorgen für ein Weiterleben.«
»Nicht bei dir! Deine Seele wird nicht in den Himmel steigen, verfluchte Ketzerin. Für dich ist…«
Sie unterbrach ihn mit scharfer Stimme. »Habe ich von einem Himmel gesprochen? Ich will nicht in den Himmel. Ich will mit alldem nichts zu tun haben. Es gibt auch eine andere Macht!«
Für Konstanza war Schluss. Sie lachte, und es war ein verflucht schrilles Lachen, das aus ihrer Kehle drang. Bösartig, als hätte der Teufel selbst losgeschrien.
Lorenzo erschrak. Er wich einen Schritt zurück. Er schüttelte den Kopf. Schnappte nach Luft. Dieses Lachen hatte ihn irritiert. Es stellte auch so etwas wie eine Botschaft dar, die ihn aus der anderen Welt traf, die nicht sichtbar war.
Zugleich hob Konstanza das rechte Bein!
Lorenzo hielt den Atem an. Er konnte es nicht glauben. Für ihn brach eine Welt zusammen. Mit einem schon irren Blick schaute er auf das rechte Bein, dessen Fuß sie in das Feuer stellte. Die Sohle drückte gegen die glühende Kohle.
Im Hintergrund rückten die zuschauenden Nonnen enger zusammen. Sie wollten es sehen, aber die näher am Geschehen stehenden Soldaten ließen es nicht zu.
Konstanza lächelte, obwohl sie hätte schreien müssen. Ihre Augen waren weit geöffnet. Der Glanz des Feuers spiegelte sich darin. Die Haut hatte eine Rötung bekommen, als sollte sie gegrillt werden, noch immer lag das Lächeln auf ihren Lippen, als sie auch den zweiten Fuß anhob und ihn ebenfalls in das Becken mit den glühenden Kohlen stellte.
Brennen!
Jetzt musste es passieren!
Es passierte nichts. Konstanza war die Herrin. Sie kontrollierte das Feuer. Sie sorgte dafür, dass ihr die Flammen nichts taten. Es schossen keine in die Höhe. Das Feuer blieb in den glühenden Kohlen gefangen. Konstanza bewegte sich. Sie schaute dabei nicht auf ihre Füße. Ihre Blicke galten den Umstehenden, und als sie sich so gedreht hatte, um jeden
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