1300 - Die Templerin
meine Winterjacke vom Haken nahm und sie überstreifen wollte, da stutzte ich. Da es in meinem Zimmer sehr still war und die Zwischenwände sehr dünn waren, hörte ich die Stimmen von nebenan.
Beide Frauen sprachen. Und sie redeten so laut miteinander, dass ich sogar Worte verstehen konnte, wenn ich mein Ohr gegen die Wand drückte. Mich hatte die Neugier gepackt. Es konnte sein, dass es Informationen gab, und ich hörte das harte Lachen der Strengen.
»Das war kein Zufall«, sagte sie.
»Was denn?«
»Dieser Typ von nebenan.«
»Ach, hör auf. Er wohnt hier und…«
»Er war mir zu neugierig. Außerdem glaube ich nicht daran, dass er sich verfahren hat. Das kann er seinem Frisör erzählen, aber nicht mir. Nein, nein, da stimmt was nicht, das sage ich dir.«
»Du hast keine Beweise.«
»Ich verlasse mich auf mein Gefühl.«
»Und weiter? Könnte er uns gefährlich werden?«
»Ich weiß es noch nicht. Aber wir werden die Augen offen halten. In diesem Ort sind ansonsten nur Frauen. Wir haben uns zusammengefunden, um etwas zu regeln. Wir wollen sie besuchen. Sie ist unsere Königin. Ihr eifern wir nach. Ich bin deshalb sehr misstrauisch, was meine Umgebung anbetrifft.«
»Niemand hat etwas von unserer Mission erfahren«, sagte die Kleinere der beiden.
»Misstrauen ist trotzdem gut.«
»Wie du meinst.«
Die Frauen unterhielten sich noch weiter. Nur hatten sie jetzt ihre Stimmen gesenkt, sodass es mir schwer fiel, noch etwas zu verstehen. Ich richtete mich wieder auf und streckte den Rücken durch. Was ich erfahren hatte, reichte eigentlich nicht, um einen Verdacht zu erhärten, aber es ging den Frauen auch darum, dass ihre Wallfahrt nicht unbedingt publik werden sollte. Das konnte ganz praktische Gründe haben, möglicherweise aber hatten sie auch etwas zu verbergen. Und gerade die Beschäftigung mit den Templern war ein brisantes Thema.
Ich überlegte, wie ich die nächsten Stunden verbringen sollte.
Hier im Zimmer herumsitzen wollte ich nicht.
Ich wollte auch nicht durch den Ort wandern wie ein Lehrer, der für seine Schüler geschichtsträchtige Orte sucht, damit er den nächsten Wandertag über die Bühne bringen kann. Nein, in meinem Kopf setzte sich allmählich ein anderer Plan fest. Ich wollte zu dieser Wallfahrtsstätte und mir anschauen, was an ihr so interessant für zahlreiche Frauen war.
Es war wieder ruhig geworden. Und so vernahm ich die Stimmen der Frauen erneut. Sie sprachen zudem lauter, und dann verstand ich das Wort Blut. Augenblicklich war ich wie elektrisiert und hing zwei Sekunden später wieder an der Wand.
Das Thema war für die beiden noch nicht beendet. »Ihr Blut wird uns stärken, glaube mir das.«
»Sie ist doch tot!«
»Na und? Manche sind tot und sind es doch nicht. Konstanza ist etwas ganz Besonderes. Sie ist wie das Wunder von Lourdes. Oder eine zweite Fatima…«
Als ich das hörte, rieselte mir ein Schauer über den Rücken…
***
Ich ging die Treppe hinab und blieb unten an der Rezeption stehen.
Es war nicht mehr als ein schlichter Holztresen. Es gab keinen Computer, keinen Drucker, nicht mal Zeitschriften und Reklamen lagen bereit. Nur ein altes Telefon stand dort, und der Mann, der soeben den Hörer auflegte sah aus, als wäre sein Kopf mit altem Schimmel bedeckt. Genau diese Farbe hatte sein Haar.
Als er sich mir zuwandte, wehte mir eine Alkoholfahne entgegen.
Da ich nicht lange suchen und herumfragen wollte, diente er mir als Auskunft. Sein Grinsen war breit, als er mich ansprach. »Was kann ich denn für Sie tun, Señor?«
Ich kramte meine wenigen Spanisch-Kenntnisse zusammen und erkundigte mich nach dem Ziel der Wallfahrerinnen.
Er schaute mich fast böse an. »Sie wollen dahin?«
»Si.«
»Das ist nur für Frauen.«
»Ich weiß es.«
Er grinste wieder, hob den Finger und schüttelte ihn. Es sollte ein Zeichen der Warnung sein. »Also ich an Ihrer Stelle würde nicht hingehen, ehrlich.«
»Warum nicht?«
Vor seiner Antwort schaute er mal nach links, dann wieder nach rechts. Dann beugte er sich mir entgegen, und seine Schnapsfahne wurde dichter. »Ich will ja nichts gesagt haben, aber diese Frauen sind mir nicht geheuer, verstehen Sie?«
»Nein.«
»Man kann als Mann wirklich Angst vor ihnen haben. Für mich sind die nicht normal.«
»Sie haben ein Hobby.«
»Aber ein gefährliches«, flüsterte er.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Das ist ganz einfach. Der Ort ist nicht gut. So etwas spürt man. Da hat sich Schreckliches
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