1300 - Die Templerin
ereignet.«
»Wann?«
»Was weiß ich.« Er zuckte die Achseln. »Irgendwann vor langer, langer Zeit. Es ging um eine Frau, die sehr mächtig gewesen sein muss. Sie hat immer alles durchgesetzt, was sie wollte.«
»Und sie ist lange tot!«
Der Mann schaute mich an. Er hatte seine Augen weit geöffnet.
»Ja«, flüsterte er. »Sie ist lange tot, sagt man. Aber warum fahren die Frauen dann hin?«
»Das weiß ich nicht.«
»Weil es welche gibt, die sagen, dass sie nicht tot ist. Und sie den Leuten manchmal erscheint.«
Ich lächelte ihn an. »Glauben Sie denn daran?«
Er drückte sich wieder zurück. Was mir ganz angenehm war.
»Was heißt glauben? Ich denke eben viel nach, das kann man hier. Manche sagen, dass es das Ende der Welt ist. Wie auch immer, man hat viel Zeit, und ich finde, dass die alten Geschichten nicht nur erfunden sind. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen.«
»Wie die der Templerin.«
»Ja. Es gab sie, das steht fest, und sie hat auch ein grausames Schicksal hinter sich.«
»Welches?«
»Ach«, sagte er und verzog das Gesicht. »Ich weiß es nicht. Ich kann Ihnen da nicht helfen. Es ist alles im Rauch der Geschichte verschwunden. Aber – Sie sehen ja selbst, es gibt gewisse Personen, die an sie glauben, sonst hätte man sich nicht hier getroffen. Heute Abend werden sie zum alten Kloster pilgern, wo diese Konstanza gestorben ist. Und sie werden versuchen, sie zu rufen, denn angeblich zeigt sie sich in bestimmten Nächten. Sie verstehen…?«
Ich hatte zwar nicht alles verstanden, sagte aber trotzdem: »Natürlich, ist schon klar.« Dann wollte ich noch den Weg zu dieser Wallfahrtsstätte wissen.
»Sehr leicht, wenn man es kennt.« Er beschrieb ihn mir, und ich musste schon verdammt die Ohren spitzen, um alles mitzubekommen.
»Danke, das war’s!«
»Gut.« Er schaute mich noch mal an. Dabei schüttelte er den Kopf. »Es ist wirklich keine gute Stelle.«
»Wir werden sehen.«
Der Mann meinte es gut mit mir. Er schlug ein Kreuzzeichen und widmete sich wieder seinem Telefon.
Ein wenig mulmig war mir schon, als ich das kleine Gasthaus verließ. Ich blieb kurz vor der Tür stehen und schaute nach rechts und nach links. Das Haus lag in einer Gasse, die recht eng war. Ein Wagen kam trotzdem hindurch. Die Hauswände und auch die Fensterbänke waren winterlich kahl. Es blühten keine Blumen mehr in den Kästen, und es rankten auch keine Gewächse mehr frisch und saftig an den Wänden hoch. Nur noch trockenes Gestrüpp klebte an den Mauern.
Ich musste um das Haus herum, um den Parkplatz zu erreichen.
Dort stand der Leih-Seat. Seine graue Farbe war dem winterlichen Himmel angepasst.
Ich sah auch den Fiat 500 der beiden Frauen neben ihm stehen und bedachte ihn mit keinem Blick. Dafür schaute ich an der Hauswand hoch. Mein Zimmerfenster war zu sehen. Die beiden Seiten des Schlagladens standen offen, aber mit einem Blick erfasste ich nicht nur mein Fenster, sondern auch das daneben.
Es gehörte zum Zimmer der beiden Frauen. Hinter der Scheibe sah ich die Bewegung. Sehr schnell, dann war die Gestalt verschwunden. So reagierte nur jemand, der sich ertappt fühlte.
Ich schaute noch einige Sekunden länger hin, und als keine Gestalt mehr auftauchte, schloss ich den Seat auf und ließ mich auf die kalten Polster fallen.
Der Hof war klein. Mauern rahmten ihn ein. Der Boden sah aus wie angefressen. Ich rollte nicht nur über feste Steine hinweg, sondern auch über lockere und visierte die Einfahrt an, die nicht besonders breit war, mir aber ausreichte.
Auf der Straße konnte ich bleiben. Sie verband praktisch beide Ortsteile miteinander.
Auch jetzt erlebte ich nicht viel Leben im Freien. Den meisten Menschen war es zu kalt. Ich sah eine alte, dick eingepackte Frau, die einen mit Holz beladenen Wagen hinter sich herzog, um mit ihm in einer schmalen Einfahrt zu verschwinden.
Die Fenster der Häuser waren geschlossen. Es hing auch keine Wäsche im Freien. Der nächtliche Frost hätte sie sonst steif wie ein Brett werden lassen.
Langsam fuhr ich um die Kurven und Ecken. Einen kleinen Platz sah ich ebenfalls. Sogar einen winzigen Brunnen, in dem das Wasser eine dünne Eisschicht bekommen hatte. Zwei Autos wich ich aus, folgte dann einem Mann, der auf einem Roller saß, und hatte wenig später den Ort verlassen.
Mich nahm das freie Gelände auf, und das erlaubte mir auch einen prächtigen Blick in die Umgebung und auf den breiten Südhang der Pyrenäen-Kette.
Der Weg führte durch ein weiteres Tal
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