1304 - Die Voodoo-Gräfin
nicht nerövs zu machen.
Durch die mit Fliesen belegte, sehr geräumige Diele schritten die beiden auf die Haustür zu. Maxine hatte das Licht der beiden Wandleuchten eingeschaltet. So war es nicht strahlend hell geworden, und sie wurde auch nicht geblendet.
Carlotta blieb an ihrer Seite. Vor der Tür aber drängte sie das Mädchen zur Seite.
»Du wartest erst mal hier, während ich nachschaue.«
»Gut.«
Maxine neigte zunächst ihr Ohr gegen das Holz. Es war sehr dick. Sie hörte nichts. Dann nahm sie sich die beiden Fenster links und rechts der Tür vor. Die Rollos hatte sie nicht davor gezogen, aber sie konnte auch nichts sehen, weil das Glas der Scheiben milchig und deshalb undurchsichtig war. Nur das Licht der Außenleuchte schwebte als gelber Schimmer über dem Boden.
Abgeschlossen war die Tür. Maxine drehte den Schlüssel zwei Mal herum.
Beim Öffnen war sie vorsichtig.
Der Blick nach draußen.
Nichts zu sehen.
Sie erweiterte den Spalt. Auch jetzt hatte sie Pech oder Glück. Der Rasen lag völlig ruhig da. Sie sah auf die ruhige Straße, sah kahle Bäume und Sträucher, aber sie entdeckte keine fremden Personen, die sich in der Nähe des Hauses aufhielten.
Trotzdem dachte sie nicht an einen Rückzug. Carlotta hatte sich bestimmt nicht geirrt.
Mit einem letzten Ruck war die Tür so weit wie möglich geöffnet worden. Für einen Moment kam Max der Gedanke, dass sie wie eine lebende Zielscheibe im Licht stand. Es gab niemanden, der sie angriff. Es war die kalte Nachtluft, die gegen sie wehte, aber sie brachte auch einen ungewöhnlichen und fremdartigen Geruch mit, den sie bisher nie wahrgenommen hatte.
Der Geruch besaß seinen Ursprung in der Nähe. Aber wo?
Maxine drehte sich auf der Stelle. Noch während der Bewegung fand sie die Lösung.
Sie war Ärztin. Sie hatte zwar nicht mit Menschen zu tun, aber mit Tieren. Auch die bluteten und dieses Blut gab einen bestimmten Geruch ab, wenn man eine Nase dafür hatte.
Es roch hier nach Blut!
Als sie dies erkannt hatte, spürte sie auf ihrem Rücken den Schauer aus Eis, der vom Nacken her bis in die Tiefe des letzten Wirbels drang.
Viele Vorstellungen schossen durch ihren Kopf, und Maxine drehte sich auf der Stelle, wobei die Zeit für sie nicht mehr so ablief wie gewohnt. Da gab es schon eine Störung.
Endlich schaute sie gegen die Außenseite der Tür. Sie lag noch günstig im Licht. Außerdem war Maxine leicht zur Seite gegangen und nach vorn getreten.
Das Bild war grausam.
Jemand hatte ein blutendes Herz gegen die Tür genagelt!
***
Die wundersame Ruhe der Nacht und auch des Zimmers hätte Helen Pride eigentlich beruhigen müssen. Aber nach all diesen Aufregungen war es leider nicht der Fall. Die junge Frau fand keine Ruhe. Sie fühlte sich aufgeputscht, doch nicht so wie in manchen Nächten, in denen sie keinen Schlaf fand. Das hier war etwas anderes. Es lag einfach an der Furcht, die sie empfand. Sie saß wie ein Stachel in ihr, der immer tiefer drang, und der ihr auch eine Botschaft mitbrachte.
Es ist noch nicht vorbei. Es geht weiter. Dir ist zwar die Flucht gelungen, aber der verdammte Arm der Gräfin ist lang. Er reicht überall hin. Du kannst ihm nicht entgehen.
So hörte sie die eigene Stimme in ihren Gedanken. Zugleich stellte sie sich die Frage, ob es überhaupt die eigene Stimme war und nicht die einer Fremden.
Sie dachte sofort an die Gräfin!
Okay, sie war ihr entkommen. Was allerdings nicht besagte, dass die Verbindung zwischen ihnen jetzt gerissen war. Daran glaubte sie nicht. Es gab sie weiterhin. Nur hatte sie mit der Tierärztin darüber nicht gesprochen. Sie wollte die gute Frau nicht noch mehr verwirren.
Aber sie brauchte sich nur ihre Beine anzuschauen. Dort gab es die Punkte. Die kleinen Wunden der Einstiche. Ein perfektes und auch ein gefährliches Muster, das sich nicht grundlos auf ihrer Haut abmalte.
Es waren ihre Zeichen. Es war ihre Magie. Durch sie hatte die Voodoo-Gräfin Helen in eine gewisse Abhängigkeit gebracht. Sie verstand es, mit den magischen Nadeln zu spielen. Dadurch hatte sie sich zu einer Herrscherin aufgeschwungen. Sie war darin perfekt und schaffte es, die Frauen auf ihre Seite zu bringen. Das war nicht nur mit Helen so geschehen, auch mit den anderen. So konnte man diese Einstiche auch als eine Kette oder Fesseln ansehen, die sie mit der Gräfin verbanden.
Noch immer lag sie auf dem Rücken. Der Fuß schmerzte längst nicht mehr so stark. Es war nur noch ein leichtes Ziehen zu spüren, und
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