1304 - Die Voodoo-Gräfin
nicht lange, da sah Carlotta die beiden Frauen nicht mehr. Nur die beiden Hunde blieben draußen und patrouillierten auf und ab. Bessere Wächter konnte sich die Voodoo-Gräfin nicht wünschen.
Das Vogelmädchen wusste genau, was es jetzt tun musste. Es war nicht möglich, Maxine zu befreien. Das ging einfach nicht. Da gab es zu viele Gegner.
Aber sie wusste jetzt, wo ihre Ziehmutter steckte, und Carlotta wusste auch, dass Maxine etwas in die Wege geleitet hatte. Es würde zwar nicht mehr in der Nacht greifen, aber der neue Tag würde kommen. Und da sollten sich die Dinge ändern.
Carlotta stellte sich auf den Sims. Sie schaute kurz nach unten und sah den Doggen zu, die etwas gemerkt hatten. Wieder bellten sie wie wild. Carlotta ließ sich fallen. Es sah so aus, als wollte sie einfach von dieser Höhe aus zu Boden springen.
Das tat sie nicht, denn auf halber Strecke breitete sie ihre Schwingen aus und fing sich ab. Sie machte sich sogar den Spaß, recht dicht über die beiden Doggen hinwegzufliegen, die plötzlich durchdrehten und sich bemühten, die Beute mit kraftvollen Sprüngen zu erreichen, was natürlich nicht zu schaffen war.
Carlotta hatte freie Bahn.
Ihr Ziel war wieder Dundee…
***
Die Kälte merkte sie bis auf die Knochen, als sie dicht vor dem Eingang des Hauses landete. Sie war jetzt mehr als froh, ins Warme zu kommen, um endlich wieder ein normaler Mensch zu werden.
Zitternd ging sie in ihr Zimmer und setzte sich auf den Boden nahe der Heizung.
Dort blieb sie in den nächsten Minuten hocken, den Blick ins Leere gerichtet und den Kopf voller Gedanken, die sie aber nicht ordnen konnte.
Die Wärme tat ihr gut. Vom Rücken her durchstrahlte sie ihren gesamten Körper und verlieh ihr auch eine gewisse Müdigkeit.
Trotzdem schloss sie nicht die Augen. Sie war einfach zu aufgeregt und mitgenommen. In ihrem Kopf rasten die Gedanken, und immer wieder stiegen regelrechte Hitzewellen in ihr hoch, die für eine Rötung des Gesichts sorgten. Sie atmete schnell, sie stöhnte auch leise vor sich hin. Das Bild der Hunde und das der Gräfin wollte einfach nicht weichen, aber sie sah auch etwas anderes.
Ihre Ziehmutter…
Bewusstlos. In der Gewalt dieser verfluchten Gräfin. Ein böses und grausames Wesen, das zwar aussah wie ein Mensch, für Carlotta aber keine menschlichen Eigenschaften besaß. Sie hätte perfekt zu den verbrecherischen Gentechnikern gepasst, denen sie ihre Existenz verdankte.
Carlotta stand auf. Sie war jetzt genug durchgewärmt worden.
Nur ihre Hände fühlten sich noch etwas kühl an. Mit wenigen Schritten hatte sie die Tür erreicht und verließ das Zimmer.
Das Haus war zu ihrer Heimat geworden, in der sie sich sehr wohl fühlte. Es hatte ihr stets eine gewisse Wärme und Geborgenheit vermittelt, und dabei hatte auch ihre Ziehmutter mitgeholfen.
Jetzt war sie nicht da!
Okay, es gab immer wieder Stunden, in denen sich das Vogelmädchen allein im Haus befand, doch diesmal war es anders. Sie wusste genau, dass Maxine nicht so schnell wieder zurückkehren würde. Die Gemütlichkeit und die Wärme des Hauses waren verschwunden. Jetzt fühlte sich Carlotta zwischen diesen Wänden wie eine Fremde.
Ihre Lippen zuckten. Sie verspürte den Wunsch, zu weinen. Das tat sie dann doch nicht. Weinen konnte zwar eine Erleichterung bringen, nur glaubte sie nicht daran. In ihrem Fall sah sie es als eine Schwäche an.
Plötzlich fiel ihr Helen Pride ein!
Sie fuhr sogar zusammen, als sie daran dachte. Himmel, die hatte sie ganz vergessen.
Nach einer halben Drehung erreichte sie mit einem Blick ihr Ziel, die Tür des Wohnzimmers.
Dahinter lag sie.
Carlotta schlich auf die Tür zu. Ihr Herz bekam wieder diesen unruhigen Schlag. Über den Rücken rann eine erneute Gänsehaut.
Sie hatte vor, den Namen der Frau zu rufen, aber sie traute sich nicht. Nur die Tür wollte sie öffnen.
Das Licht brannte auch weiterhin im großen Raum. Carlotta wusste, wohin sie schauen musste. Sie war davon überzeugt, dass Helen ihre Couch nicht verlassen hatte.
Ja, sie lag noch immer dort auf dem Rücken. Als hätte sie sich die ganze Zeit über nicht bewegt.
Das Mädchen ging jetzt nur auf Zehenspitzen. Sie wollte die Schlafende auf keinen Fall stören und ihr auch nicht die Wahrheit über Maxine sagen.
Je näher sie ging, desto stärker breitete sich in ihr Unruhe aus. Sie ahnte, dass etwas nicht stimmte.
Als sie das Fußende der Couch erreichte, blieb Carlotta stehen.
Sie schaute über den Körper hinweg,
Weitere Kostenlose Bücher