1304 - Die Voodoo-Gräfin
Teile hin und her. Sie war dabei, wieder etwas aufzubauen, und Helen konnte nur staunen. Das hatte sie noch nie erlebt. Sie war beinahe entsetzt darüber, wie leicht sich die Haut bewegen ließ. Als wäre sie weich wie Pudding, und sie konnte auch in die entsprechende Richtung gedrückt werden.
Wie andere Menschen es bei ihrem Auto taten, so beulte die Gräfin ihren Kopf wieder aus. Mit ein paar letzten Bewegungen schob sie die Haut zurecht, dann war sie fertig.
Helen hatte nur zuschauen können und darüber beinahe das Atmen vergessen. Ihre Augen waren groß. Sie zitterte. In ihrem Innern spürte sie eine eisige Kälte. Die Lippen fühlten sich trocken und spröde an, und auf ihrem Rücken lag eine Gänsehaut wie angeklebt. Der Mund stand offen, die Augen ebenfalls. Sie hörte das eigene Herz überlaut schlagen, und hinter den Augen spürte sie einen harten Druck.
Wieder zeigte der Mund der Gräfin ein Lächeln. Die Augen funkelten, als sie Helen anschaute. Als wollte sie eine Botschaft vermitteln.
»Siehst du, Helen…?«
»Ja! Ja! Ich habe es gesehen. Was soll das?«
»Nichts weiter. Ich wollte dir nur klar machen, wie gut ich bin im Gegensatz zu dir. Aber lassen wir das. Wie ich hörte, willst du nicht mehr zu mir zurück.«
»Das stimmt.«
»Ich will dich auch nicht mehr!«
Es war nur eine knappe Botschaft, über die Helen nachdenken musste. Sie ahnte, dass mehr dahinter steckte, als sie sich selbst nach diesen Worten vorstellte, und sie schluckte einige Male, bevor sie den Kopf schüttelte.
»Hast du Probleme?«
»Ja, die habe ich. Was soll das? Ich weiß nicht…«
»Ich tue dir nur einen Gefallen«, erklärte die Gräfin und lächelte dabei. Dieses Lächeln war so falsch. Es war grausam zugleich, und es ließ keine Alternative zu.
Eine Hand griff unter die Kleidung. Sie blieb dort nicht lange verborgen, denn mit der Gegenbewegung holte die Frau etwas hervor.
Eine Nadel!
Sehr lang und aus einem sehr harten Holz geschnitzt. Nach vorn hin lief sie spitz zu.
Die Voodoo-Gräfin brauchte nichts mehr zu sagen. Ihr Argument hielt sie jetzt in der Hand. Die Spitze dieser Holznadel war ebenso auf den Körper der Liegenden gerichtet wie ihr Blick.
Helen dachte an ihren Körper, der ebenfalls durch die Nadeln traktiert und gezeichnet worden war. Jetzt würde die Gräfin wieder eine Nadel einsetzen.
Leider anders.
Vielleicht sogar tödlich…
Sie beugte sich vor. Aus ihrem Mund drangen die Worte wie ein leises Zischen. »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich. Und wer nicht bei mir bleiben will, den will ich auch nicht länger aufhalten. Hast du verstanden?«
»Was willst du?«
»Meine Gesetze durchziehen!«
So rot funkelten die Augen. So grausam. So kalt und ohne den geringsten Anschein an Menschlichkeit.
Helen wollte etwas sagen. Den Mund hielt sie bereits geöffnet. Es fehlten ihr die Worte, denn sie sah ausschließlich die verdammte Nadel, deren spitzes Ende sich immer tiefer senkte und genau die Stelle an ihrer Brust anvisierte, hinter der das Herz schlug.
»Nein… nein …«
»Doch, Helen!«
Die Voodoo-Gräfin stach zu. Und sie traf ihr Ziel genau in der Mitte…
***
Carlotta hatte die Tür leise hinter sich geschlossen und stand wieder in ihrem Zimmer. Sie hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt. Das musste einfach so sein, denn irgendwie brauchte sie einen Halt. Die Augen hielt sie geschlossen, und trotzdem bekam sie nicht das Bild weg, das sie gesehen hatte.
Maxine auf dem Boden.
Maxine wehrlos…
Was passierte in der Diele?
Die Überlegungen dauerten nur Sekunden, dann entschloss sich das Vogelmädchen, nachzuschauen. Nur öffnete es nicht die Tür.
Carlotta bückte sich und brachte ihr Auge in Höhe des Schlüssellochs, um so einen Blick in die Diele zu erhaschen.
Der Ausschnitt war zu klein. Sie konnte weder etwas hören noch sehen. Sie musste nur warten und dann, wenn die Zeit um war, etwas unternehmen.
Carlotta zählte bis zehn. Dann fasste sie sich ein Herz und öffnete die Tür.
Der Spalt blieb schmal. Doch er war breit genug, um sie vieles erkennen zu lassen. Sie sah sofort, dass ihre Ziehmutter dort nicht mehr lag. So gut wie möglich drehte Carlotta den Kopf und schaute zur anderen Seite hin. Von dort hatte sie auch die leisen Echos der Schritte vernommen.
Die fremde Frau hatte die Tür fast erreicht. Über ihrer Schulter lag wie ein geknickter und gefüllter Sack Maxine Wells. Die Arme hingen entlang des Rückens nach unten. Die Hände waren
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