1304 - Die Voodoo-Gräfin
ein Problem.«
»Das kannst du laut sagen.«
Das Gefühl, das mich schon vorhin beschlichen hatte, war jetzt noch stärker geworden, und plötzlich hatte ich es eilig.
Suko tat natürlich sein Bestes, und endlich konnten wir aufatmen, als wir vor dem Haus der Tierärztin stoppten. Noch durch die Wagenfenster warfen wir erste Blicke über den Vorgarten hinweg bis zum Haus hin. Da war nichts Verdächtiges zu sehen. Das Haus lag friedlich im bleichen Glanz einer fahlen Wintersonne.
Wir stiegen aus. Sehr schnell liefen wir auf den Eingang zu und blieben dort stehen, weil uns noch nicht geöffnet worden war. Uns fiel sofort der Fleck auf, der sich an der Tür befand.
Beim zweiten Hinsehen sahen wir, dass der Fleck rötlich-braun schimmerte.
»Blut?«, flüsterte Suko.
Ich gab keine Antwort mehr, denn in diesem Augenblick wurde die Tür vorsichtig geöffnet.
Carlotta stand vor uns. »Endlich«, sagte sie.
Wir sahen sofort, dass sie geweint hatte. »Was ist denn passiert?«, fragte ich.
Carlotta gab mir eine seltsame Antwort, denn sie warf sich einfach in meine Arme. Dann schluchzte sie. Ich strich über ihren Rücken hinweg und berührte auch den weichen Flaum der Federn.
Ich drängte das Mädchen mit sanfter Gewalt zurück über die Schwelle und hinein in das Haus. Suko schloss hinter uns die Tür, und Carlotta löste sich von mir.
Sie wischte über ihre Augen. »Ich habe allen Patienten, die für heute angemeldet sind, abgesagt«, erklärte sie.
»Ist Maxine krank oder…«
»Sie ist weg, John!«
Den letzten Satz hatte sie geschrien.
Da waren Suko und ich sogar leicht zusammengezuckt.
»Weg?«, flüsterte ich. »Wohin?«
»Man hat sie in der Nacht entführt.«
Suko und ich tauschten einen Blick. Wir sagten erst mal nichts und schauten auf das Vogelmädchen, das so bedrückt vor uns stand. Carlotta hielt den Kopf gesenkt. Sie weinte wieder und konnte nichts sagen.
»Ich glaube«, schlug Suko vor, »dass wir uns mal in Ruhe unterhalten sollten. Und zwar nicht hier, sondern da, wo wir uns setzen können. Ist das okay?«
Carlotta nickte. Sie ging vor. Auf mich machte sie jetzt einen so zerbrechlichen Eindruck. Da war nichts mehr von ihrer starken Persönlichkeit zu spüren.
Sie ging nicht in das große Wohnzimmer und bedachte die Tür, als wir sie passierten, nur mit einem scheuen Blick. Ich merkte mir diese Geste und nahm mir vor, sie später darauf anzusprechen.
In der großen Küche gab es genügend Stühle, die uns Platz gaben. Wir hätten uns einen Kaffee oder Tee kochen können. Darauf verzichteten wir. Andere Dinge waren wichtiger.
Ich nickte Carlotta zu. »So, jetzt würden wir gern von dir wissen, was in dieser Nacht passiert ist. Bisher wissen wir nur, dass Maxine nicht hier ist.«
»Man hat sie geholt.«
»Bitte, kannst du uns das genauer erklären?«
Carlotta nickte. Sie war völlig deprimiert. So kannten wir sie nicht. Aber ihr Verhalten erweckte in mir auch Verständnis, denn ich wusste, dass sie sehr an ihrer Ziehmutter hing. Maxine war ihr Ein und Alles.
Auch die Stimme, mit der sie sprach, klang schwach. In der Umgebung war es still genug, um sie verstehen zu können. Was wir in den nächsten Minuten zu hören bekamen, war alles andere als ein Spaß. Suko und ich verstanden, weshalb Carlotta so deprimiert war.
Hier hatte das Grauen in Form dieser Voodoo-Gräfin brutal zugeschlagen.
»Es ist alles so passiert, wie ich es euch gesagt habe«, flüsterte sie.
»Und ich konnte entkommen. An mich haben sie gar nicht gedacht, glaube ich.«
»Wussten Sie denn von deiner Existenz?«, fragte Suko.
»Keine Ahnung. Eher nicht.«
»Und das ist ein Vorteil«, erklärte ich und lächelte Carlotta an.
»So hast du schon einiges auskundschaften können, das für uns zum Vorteil ist.«
»Kann sein. Nur bringt das Maxine auch nicht zurück. Ich fühle mich so elend…«
»Das brauchst du nicht.«
»Doch, Suko, ich hätte sie vielleicht retten können. Ich habe auch Helen gerettet.«
»Das sind andere Umstände gewesen. Oft ist es besser, wenn man sich schlau im Hintergrund hält und erst dann zuschlägt, wenn es die Lage zulässt.«
Carlotta ging nicht auf Sukos Argument ein. »Es ist aber so schrecklich viel Zeit vergangen«, beschwerte sie sich.
Er winkte ab. »So viel auch nicht. Nur einige Stunden.«
»In denen so einiges geschehen kann.«
»Richtig. Aber hast du wirklich das Gefühl, dass diese Voodoo-Gräfin Maxine umbringen will?«
Unsere junge Freundin knetete ihre Hände.
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