1306 - Hexenbalg
großen Spaß machen wird.«
Zunächst mal musste Theo auf die Beine kommen, was gar nicht so einfach war. Er litt noch immer unter seinem Zustand. Aus dem Mund drangen leise Flüche, und er nahm den Tischrand als Stütze, um sich endlich hinstellen zu können. Sein Kind wollte er danach hochheben. Zunächst brauchte er einige Sekunden, um sich zu finden, und es war auch der Tisch weiterhin als Stütze wichtig.
Der kleine Schwächeanfall ging vorbei. Es klappte wieder besser mit ihm.
Er drückte seinen Rücken durch und war froh, dass er so stehen bleiben konnte. Kein Schwindel mehr. Kraft war in seinen Körper geströmt und blieb auch dort.
Er sah die Bewegung neben sich nicht. Dafür erlebte er die Folgen. Plötzlich gab es einen Laut direkt neben ihm auf dem Tisch.
Mit einem einzigen Sprung hatte der Balg die Tischplatte erreicht, und Theo Thamm bekam große Augen.
Er bewegte seinen Mund. Er wollte einen Kommentar abgeben.
Es war nicht möglich. Die Überraschung hatte ihn einfach zu hart getroffen.
»Du… du … hast es geschafft?«, hauchte er.
Das Horror-Kind grinste ihn an.
»Das ist ja traumhaft. Das ist ja mehr, als ich mir zu erhoffen gewagt habe.« Er legte den Kopf zurück und fing an zu lachen. Es brach aus ihm hervor. Die Straße des Sieges wurde für ihn immer breiter. Der innerliche Jubel brandete in seinem Innern wie Glockenklänge.
»Warte hier auf mich. Ich bin gleich wieder zurück.« Theo wollte nur seinen Mantel holen, den er wegen der Kälte einfach brauchte.
Den Schal durfte er auch nicht vergessen und natürlich nicht den Hut, der seinen Kopf schützte.
Er kam an einem Spiegel vorbei. Theo blieb stehen. Er wollte sich betrachten. Spiegel können grausam sein. Sie geben die Wirklichkeit radikal zurück.
Thamm wusste, dass er keine Schönheit war, aber was er an seiner Kehle sah, das konnte ihm auf keinen Fall gefallen. Da zeichneten sich die kleinen Wunden deutlich an seiner Haut ab. Zwar rann das Blut nicht mehr, aber die Reste hingen jetzt wie kleine braunrote Narben an der Haut.
Egal, das würde der Schal verdecken.
Er entschied sich für einen dunklen, den er zwei Mal um seinen Hals wickelte. Jetzt reichte der Stoff bis unter sein Kinn. Da war von seinem Hals vorne und hinten nichts zu sehen. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass die Haut geblutet hatte.
Der lange Mantel folgte. Dann der Hut. Dunkel mit breiter Krempe. Auf ihn legte Theo Thamm besonderen Wert. Nicht allein, dass er seinen kahlen Kopf schützte, wenn er diesen Hut trug, dann kam er sich vor wie eine Persönlichkeit. Dann war er wer. Dann fiel er auf, und so genau sollte es auch sein. Die anderen mussten sehen, wenn er kam. Er liebte es, Aufsehen zu erregen.
Einige Male rückte er noch an der Krempe herum, dann saß der Hut seiner Meinung nach richtig.
Er ging wieder zurück zu seinem »Kind«. Es hockte noch immer auf dem Tisch und schaute ihn mit einer gewissen Erwartung in den Augen an. Das zumindest glaubte Theo.
Er beugte sich der kleinen Gestalt entgegen. »Ich werde dich jetzt in meine Innentasche stecken und dich mitnehmen. Wir beide gehen auf die Wanderschaft, und ich werde dich in das Leben einführen. Hast du verstanden?«
Die Augen bewegten sich. Sie schienen sich zu drehen. Theo glaubte zudem, tief in den Schächten der Pupillen rote Punkte zu erkennen. Das konnte auch eine Täuschung sein, aber der Balg war nicht tot, wie er es eigentlich nach so vielen Jahren hätte sein müssen. Er existierte und lebte dabei sein eigenes Leben.
Thamm war zufrieden. Widerstandslos ließ sich Edita anfassen und hochnehmen. Sie protestierte durch keine Bewegung gegen ein Verschwinden in der linken Innentasche des Mantels.
Theo Thamm war zufrieden. An seine kleinen Halswunden dachte er nicht mehr, als er das Haus verließ und in die herrliche Winterwelt hineintrat…
***
Erwin Pichler hatte darauf bestanden, dass wir seinen Dienstwagen nahmen. Es gab Gründe, denn es würde schwierig sein, in Fischen einen Parkplatz nahe der Kirche und des kleinen Friedhofs zu bekommen.
Er war der Einheimische, wir mussten ihm vertrauen und klemmten uns in den Streifenwagen. Pichler war sehr nachdenklich. Er sprach erst wieder, als wir die Hälfte der Strecke hinter uns gelassen hatten.
»Es ist mir ja egal, wer den Fall aufklärt. Ich möchte nur, dass er aufgeklärt wird.«
»Da brauchen Sie keine Sorge zu haben«, sagte Jane aus dem Rückraum hervor.
»Sind Sie so sicher?«
»Ja.«
»Aber die Kollegen und
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