1307 - Die toten Frauen von Berlin
eines Psychologen. Was sie erlebte, ist nicht so leicht zu verkraften.« Ich schaute auf meine Uhr. »So, dann denke ich, dass Eve in guten Händen ist. Für mich geht es weiter. Ich hoffe, dass wir den Fall noch in der kommenden Nacht lösen können.«
»Dann haben Sie einen Verdacht?«
»Mehr als das.«
Er beugte sich vor. »Können Sie etwas verraten…«
»Nein, das möchte ich nicht. Aber ich kann Ihnen versprechen, Mr. Richmond, dass Sie nicht in den Strudel hineingerissen werden. Alles Weitere ist Sache der Deutschen und lastet auch auf meinen Schultern. Außerdem habe ich in Harry Stahl einen guten Helfer.«
»Ja, das erschien mir auch so. Ein ruhiger und sehr besonnener Mann.«
»Genau das brauchen wir.«
Als ich aufstand, schaute Eve Sandhurst mich an. Ich ging zu ihr und beugte mich zu ihr hinab. Unsere Blicke trafen sich. Ihre Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln.
»Danke für alles«, flüsterte sie.
»Geht schon in Ordnung. Und geben Sie auf sich Acht. Das Leben hat nicht nur Sonnenseiten.«
»Wem sagen Sie das?«
Ich verabschiedete mich auch von Harald Richmond, der mich fast bis zum Ausgang brachte. Dort wurde er dann seine Frage los, die ihm auf der Seele brannte.
»Sagen Sie, Mr. Sinclair, erwarten Sie eigentlich diplomatische Verwicklungen?«
»Nein. Das läuft auf dieser Ebene nicht ab. Wir spielen in einer anderen Liga.«
Beruhigt hatte ich ihn nicht. »Die aber auch verdammt gefährlich sein kann – oder?«
»Damit haben Sie ins Schwarze getroffen…«
***
Es tat mir wieder gut, über den roten Teppich zu gehen und wenig später das Hotel durch die Drehtür zu betreten. Man hatte als Gast und Besucher das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein. Zwar noch in der modernen, aber zugleich um rund 100 Jahre zurückversetzt, als der Jugendstil noch dominierte.
In der ersten, der Bel Etage, saß der Musiker an seinem Flügel.
Die sanften Melodien schwebten auch nach unten in die Halle hinein. Sie waren nicht zu laut und auch nicht zu leise, schafften aber eine wunderbare Atmosphäre.
Für einen Moment vergaß ich den Horror und dachte nicht mehr an die lebenden Leichen, von denen sich möglicherweise noch vier hier in der Hauptstadt aufhielten.
Sie mussten gefunden werden. Ich hoffte, dass es nicht zu schwer sein würde, denn wir hatten einen Namen. Wie ich Harry Stahl kannte, hatte er seine Drähte heiß laufen lassen, um mehr über diesen Gideon Schwarz herauszufinden.
Die Halle war recht gut besetzt, aber es gab noch genügend freie Plätze. Ich ging oder schwebte fast über die Teppiche hinweg und hielt Ausschau nach meinem Freund, der diesmal etwas erhöht saß, nicht weit von der Bar entfernt. Dort gab es einen ovalen Glastisch, dessen Platte von Eisenfüßen gestützt wurde. Einer der beiden Ledersessel mit der hohen Rückenlehne war von Harry besetzt. Im zweiten ließ ich mich nieder.
»Und? Alles geschafft?«
Ich streckte die Beine aus und nickte. »Ja, Eve befindet sich in Sicherheit.«
»Möchtest du was trinken?«
Ich schaute kurz auf Harrys Tasse. »Einen Cappuccino.«
»Gut.«
Das Getränk war bald bestellt und wurde auch rasch gebracht.
Ich hatte Harry noch nichts gefragt, denn er schaute zunächst auf einige Notizen, die er sich gemacht hatte. Erst als ich den ersten Schluck getrunken hatte und einen Keks dazu aß, schaute Harry hoch. Seinem Gesicht sah ich an, dass er erfolgreich gewesen war, denn der Mund hatte sich zu einem leichten Lächeln verzogen.
»Und?«
Er nickte. »Es war die Spur. Du findest einen Zettel, was ich noch immer nicht glauben kann. Das kommt mir vor wie in einem Film, aber es ist wohl eine Tatsache.«
»Sei froh. Ich denke, dass man der Person den Zettel als Sicherheit eingesteckt hat. Dass man sie zu ihrem Macher oder wie auch immer zurückbringen sollte.«
»Sie heißt Helene Dossow.« Harry schüttelte den Kopf. »Ich mache mir noch immer Vorwürfe, dass ich sie nicht erkannt habe, obwohl ich ja die Fotos von ihr gesehen hatte.« Er winkte ab.
»Vergessen. Kümmern wir uns um die Zukunft. Das heißt, zunächst um die Vergangenheit.«
»Damit meinst du diesen Gideon Schwarz.«
»Genau den. Ich habe Erkundigungen über ihn eingezogen. Es stimmt. Er ist Maler und Bildhauer, aber er trat bisher nicht so in Erscheinung, als dass sich die Polizei um ihn hätte kümmern müssen.«
»Dann ist er sauber.«
»Zumindest nach außen hin.« Harry lächelte verschmitzt. Er war froh, dass er mir diesmal mit Informationen helfen
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