1308 - Tödliche Schwingen
wie mir Schweiß ausbrach.
Doch es gab Hoffnung. Ich hatte ein Ziel. So hörte das elende Warten auf. Nur das zählte.
Eden hockte noch immer neben mir. Er schaute mich sogar an. In diesem Augenblick empfand ich seine Augen als klug. Er wollte mich unterstützen und mir Mut machen, was ich mit einem schnellen Lächeln quittierte, bevor ich ihn ansprach.
»Jetzt geht es los, mein Freund! Die Zeit des Wartens ist vorbei.«
Ich befand mich bereits auf dem Weg zur Garderobe und holte die Jacke vom Haken.
Mit langen Schritten durchquerte ich den Vorgarten und lief dorthin, wo mein Wagen parkte. Eden blieb an meiner Seite. Da ich mit meinen eigenen Gedanken sehr beschäftigt war, fiel mir der Hund erst auf, als ich den Ford erreicht hatte.
»Du nicht, Eden.«
Er lief nicht weg.
Aber ich musste starten und öffnete die Tür. Darauf hatte der Hund nur gewartet. Bevor ich in den Wagen stieg, war er schon drin und rollte sich auf dem Beifahrersitz zusammen.
»Okay, dann eben nicht.«
Ich stieg ein, startete und fuhr so schnell an, dass die Reifen quietschten.
Fremd war mir die Umgebung nicht. Auch nicht in der Nacht.
Die Richtung kannte ich auch. Wieder einmal ging es hinein in die Berge. Diesmal besuchte ich keine Voodoo-Gräfin, sondern ein Wesen, das eine Mutation zwischen Mann und Vogel war.
Die Lichter der Stadt sahen im Rückspiegel aus, als würden sie einfach zerfließen oder von der Dunkelheit aufgesaugt werden.
Plötzlich war alles gleich. Vor und hinter mir.
Nur neben mir nicht. Dort hatte Eden seinen Kopf erhoben und schaute mich an. In seinen Augen las ich ein unwahrscheinliches Vertrauen.
Ich konnte es mir auch einbilden, doch in einer solchen Lage greift man nach dem kleinsten Strohhalm…
***
Schlagartig veränderte sich die Flugrichtung. Und das ohne Vorwarnung, sodass Carlotta erschrak. Für sie gab es keinen Grund, wohl aber für den Adler, denn beide sackten fast wie ein Stein zu Boden.
Und sie wurden schneller. Carlotta spürte den scharfen Wind überdeutlich. Er schien aus zahlreichen Splittern zu bestehen, die sich in ihrem Gesicht festsetzten. Sie schloss die Augen, weil sie die Schärfe auch dort spürte und überlegte, ob sie sich aus dem Griff der Klauen befreien sollte.
Das tat sie nicht, denn ihr war ein anderer Gedanke gekommen.
Es musste einen Grund für die Flugänderung geben. Möglicherweise war sie es. Sie und ihr Handy.
Sie hatte nicht leise sprechen können. Da war es durchaus möglich gewesen, dass der Adler sie gehört hatte.
Aber wo hörte bei ihm das Menschsein auf und fing das Tiersein an? Keiner wusste es genau. Möglicherweise sogar er selbst nicht.
Da konnten durchaus die verschiedendsten Zustandsstufen ineinander laufen.
Innerhalb einer winzigen Zeitspanne entschloss sich Carlotta, auf Nummer Sicher zu gehen. Eigentlich hatte sie alles gesagt, was gesagt werden musste. So griff sie zum zweiten Mal in ihre Tasche, fand das Handy jetzt schneller und warf es zu Boden. Sie hatte es noch zur Seite geschleudert, damit es nicht dort liegen blieb, wo sie gerade landeten.
Dann waren sie da.
Es war wirklich wie bei der großen Jagd des Adlers. Dicht über dem Erdboden stoppte er ab. Sein Flug war nicht mehr zu hören, und dann war er gelandet.
Kurz zuvor hatten seine Krallen die »Beute« losgelassen. Ein normaler Mensch wäre hart aufgeschlagen. Nicht so Carlotta. Sie hatte den Boden noch nicht berührt, als sie im Rücken die Flügel ausbreitete und so eine sanfte Landung hinlegte.
Sie war mit sich zufrieden und hoffte jetzt, ihren Gegner noch hinhalten zu können.
Auch der Adler hatte den Erdboden erreicht. Noch waren seine Schwingen ausgebreitet, und in der Dunkelheit wirkte er wie ein gewaltiges Monstrum, das aus irgendeiner anderen Welt gekommen und gelandet war. Nur langsam faltete er die Flügel zusammen, legte sie an und nahm wieder das Aussehen eines normalen Vogels an.
Carlotta war ungefähr zwei Meter von ihm entfernt gelandet. Sie blickte misstrauisch zu ihm hinüber und wartete darauf, wie er sich verhalten würde.
Noch war er das Tier, aber er wurde auch zum Menschen, denn als Adler legte er sich auf den Boden und blieb so still liegen wie ein Toter.
Das faszinierte Carlotta. Sie fühlte sich plötzlich von ihm angezogen. Auf Zehenspitzen näherte sie sich der Gestalt, um zu sehen, was weiterhin mit ihr geschah.
Es passierte am Kopf. Der Vorgang sah fantastisch und unheimlich zugleich aus, denn am Kopf passierte die Verwandlung. Etwas schob
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