131 - Der Mörder aus dem Totenreich
Gleichzeitig hechtete ich nach der Derringer-Pistole, die mir durch den Schleier vor meinen Augen entgegenschimmerte.
Es war keine Zeit zu zielen. Als der Mann sich vorwärtswuchtete, drückte ich ab, und das kleine Geschoß stieß ihn zur Seite. Der Stock traf die Wand und brach knackend, und der Mann fiel auf die Knie.
Mir ging es sofort etwas besser.
Keine Gefahr mehr für Vicky!
Ich sprang auf und eilte zu dem Kerl. Als er merkte, daß ich ihm die Maske vom Schädel reißen wollte, hielt er sie mit beiden Händen fest: Er starrte mich mit blutunterlaufenen Augen haßerfüllt an. Wo ihn die zweite Kugel getroffen hatte, konnte ich nicht sehen, aber es stellte sich sehr bald heraus, daß es den Killer lebensgefährlich erwischt hatte.
Er ließ sich nicht demaskieren, röchelte, und Blut sickerte aus seinem Mund. Er schwankte, seine Arme sanken herab. Er blickte an mir vorbei zum Fenster und versuchte sich zu erheben.
Ich hätte ihn nicht daran gehindert, weil ich sicher war, daß er nicht mehr die Kraft hatte zu fliehen. Seufzend kippte er zur Seite, und seine Augen schlossen sich langsam, als würde er einschlafen.
Vicky trat neben mich.
»Büßen…« preßte der Mann leise hervor. »Das werdet ihr mir alle büßen!«
»Er stirbt, Tony«, sagte Vicky unruhig. Sie wandte sich um. Die Theaterleute waren nähergerückt, standen vor der offenen Tür. »Einen Krankenwagen!« rief Vicky. »Schnell! Ruft einen Krankenwagen!«
»Ihr glaubt, Buzz Janssen erledigt zu haben…« sagte der Killer mit tonloser Stimme. »Aber ich habe Beziehungen… zur Hölle…«
Seine Augen weiteten sich plötzlich, als würde er furchtbar erschrecken. Zischend strich der letzte Atemzug durch seine Kehle, dann war es vorbei.
Ich nahm ihm die häßliche Maske ab und blickte in ein fremdes, schweißnasses Gesicht,
***
Der Krankenwagen traf ein, und der Rettungsarzt konnte nur noch das feststellen, was wir bereits wußten: daß Buzz Janssen tot war.
Seit geraumer Zeit hielt sich das hartnäckige Gerücht, daß ein grauenerregendes Phantom die Stadt unsicher machte. Die Medien berichteten nichts darüber, aber wenn man gut aufpaßte, kam einem so manches zu Ohren.
Hatten wir das Phantom zur Strecke gebracht? Ich war geneigt, das anzunehmen.
An einem gemeinsamen Abendessen war Lilian McFane verständlicherweise nicht mehr interessiert. Sie war immerhin nur knapp dem Tod entronnen und sehnte sich heim.
»Wir telefonieren miteinander«, sagte Vicky.
Die Schauspielerin nickte. Fassungslos blickte sie an Vicky vorbei auf den Toten. »Dieses schreckliche Erlebnis werde ich nie vergessen.«
»Komm, Lilian«, sagte der Impresario. »Ich fahr’ dich nach Hause. Wir sollten gehen, bevor die Polizei eintrifft, sonst läßt man dich nicht weg. Du brauchst jetzt Ruhe, darfst dich nicht mehr aufregen. Wenn man Fragen an dich hat, soll man sie dir morgen stellen. Morgen hast du schon ein bißchen Abstand zu diesem Erlebnis.«
Vicky nickte der Schauspielerin aufmunternd zu. »Es ist wirklich besser, wenn du nach Hause fährst, Lilian.«
»Warum hat er sich mich ausgesucht?« fragte die Schauspielerin erschüttert.
»Vielleicht wollte er berühmt werden. Ich rufe dich zuverlässig in den nächsten Tagen an«, versprach Vicky, und der Impresario führte Lilian aus dem Theater.
Ich hatte gehört, was Vicky gesagt hatte. »Könnte wahr sein, daß er mit diesem Mord Aufsehen erregen und bekannt werden wollte«, sagte ich. »So etwas kommt in alle Zeitungen.«
Es wurde eine lange Nacht. Die Polizei kam und nahm uns mit. Man behandelte uns kühl und reserviert. Sie trennten uns, als wäre zu befürchten, daß sich Vicky und ich eine Geschichte zurechtlegen könnten.
Auf Privatdetektive sei man nicht sonderlich gut zu sprechen, ließ man durchblicken. Vor allem dann nicht, wenn sie so schnell mit der Pistole zur Hand wären.
Vicky und ich machten - unabhängig voneinander - unsere Aussagen, die natürlich völlig identisch waren. Was hätten wir an der Wahrheit verfälschen sollen?
Was mir einiges Unbehagen bereitete, waren Buzz Janssens letzte Worte. Er hatte gesagt, er hätte Beziehungen zur Hölle. Die Polizei maß dieser Äußerung keine Bedeutung bei, aber ich. Ich hatte diesbezüglich ja auch mehr Erfahrung.
Obwohl die Protokolle unterschrieben waren und es eigentlich keinen Grund gab, uns noch länger dazubehalten, fiel es niemandem ein, uns nach Hause zu schicken.
»Vergaß« man uns, um uns bei der Hand zu haben, falls einem der
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