131 - Fluch der Dämonen
erreichte den Personeneingang und betätigte den Glockenzug. Sie hörten das ferne Bimmeln der Glocke. Coco läutete wieder, diesmal vehementer.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das Tor geöffnet wurde und eine Frau in schwarzer Ordenstracht darin auftauchte.
Sie erkannte Coco sofort.
„Ah, Frl. Coco, was für eine Überraschung", sagte sie. „Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie zu Besuch kommen." Sie warf Dorian einen mißtrauischen Blick zu. „Sie kommen in Begleitung? Wurde nicht mit der Oberin vereinbart, daß Sie stets nur allein kommen?"
„Das geht in Ordnung", sagte Coco. „Wie geht es Martin?"
„Gut, nehme ich an", sagte die Klosterschwester, die wegen Cocos barscher Art recht ungehalten wirkte. „Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Aber Fragen wir Schwester Ines…"
„Ist sie nicht krank?" Coco trat an der Ordensschwester vorbei in den Park. Dorian folgte ihr, die Hand mit der Waffe in der Tasche des Parkas versteckt.
„Ach ja, was bin ich vergeßlich!" rief die Klosterschwester aus. „Wir haben für sie, weil wir so viele Ausfälle hatten, eine weltliche Kindergärtnerin eingestellt. Sie heißt Clara…"
Coco blickte sich um. Sie sah den Schneemann, den Martin ihr beschrieben hatte, und das Original erinnerte sie noch deutlicher an Skarabäus Toth. Aber Kinder waren keine zu sehen.
Plötzlich erklang ein schauriges Gelächter wie aus Grabestiefe. Der Schneemann schien auf einmal von innen her zu glühen. Er begann zu schmelzen. Dadurch wurde der Eindruck erweckt, als sei er belebt worden und bewege sich.
Durch das schmelzende Schneegebilde war eine bandagierte Gestalt zu sehen. Coco zwinkerte, konnte damit aber die Vision nicht verscheuchen.
Die Ordensschwester bekreuzigte sich und flüchtete mit wehenden Röcken.
Coco stand wie erstarrt da und betrachtete die bandagierte Gestalt, die aus dem schmelzenden Schneemann zu steigen schien. Sie sah aus wie eine Mumie. Sie hielt auf jedem Arm ein Kind. Das eine war Martin, und das andere… Coco konnte nicht einmal erkennen, ob es ein Mädchen oder ein Junge war. Als sie sich vorsagte, daß es ein Mädchen sein könnte, da
sah
sie auch ein Mädchen… Dann wollte sie Theo sehen, Martins „Blutsbruder" - und sie sah einen Jungen, der ihren Vorstellungen von Theo entsprach.
Die Mumie begann allmählich durchscheinend zu werden.
„Warum ist Skarabäus Toth dermaßen vermummt?" fragte Dorian. Er zog seine Waffe und nahm Ziel. Coco schlug ihm die Hand herunter.
„Das ist nicht Toth!" rief sie. „Das ist überhaupt kein Dämon. Sieh nur den Drudenfuß auf seiner Brust."
Jetzt sah auch Dorian das Pentagramm auf der Brust der mumienhaften Erscheinung, die noch immer die beiden Kinder auf den Armen hielt, als wolle sie sie wie auf einer Waage gegeneinander abwägen. Was hatte das zu bedeuten?
Martin! dachte Coco.
Ja, Ma?
Bist du noch auf deinem Zimmer?
Ja. Was bleibt mir denn auch anderes übrig. Theo ist gerade gegangen. Er. war sauer, daß ich nicht mit ihm Blutsbruderschaft trank. Du bist schuld…
Ich bin bei dir, Martin. Ich komme jetzt mit deinem Vater zu dir. Vielleicht siehst du uns durchs Fenster.. .
Ich sehe nur die Kinder mit Tante Clara. Sie tanzen immer noch um den Schneemann.
„Nein!" schrie Coco.
Sie verfiel in einen rascheren Zeitablauf und schloß Dorian darin ein. Die Vision der Mumie war erloschen. Der Schneemann, Toths Götzenstandbild, war zu einem Eisklumpen geschmolzen…
Aber Martin sah den Schneemann immer noch, und er sah, wie er von den Kindern umtanzt wurde!
„Martin!"
Ja, Ma… Sehen kann ich dich aber nicht.
Coco raste mit Dorian auf das Haus zu. Die Welt um sie war zur Bewegungslosigkeit erstarrt, während sie in Zeitraffertempo in das Gebäude eindrangen. Sie begegneten in den Gängen einigen Klosterschwestern. Sie hielten mitten in der Bewegung an, standen stumm und starr wie Statuen.
Coco eilte zielstrebig auf die Treppe zu, hastete diese hinauf, den Korridor des ersten Stockwerks entlang.
Da war Martins Zimmer.
Coco drang ein.
Das Zimmer war leer.
Martin!
Ja, Ma. Was ist denn schon wieder? Wo bist du?
Auf meinem Zimmer. Und es ist stinklangweilig.
Coco verließen die Kräfte, und sie brach über dem leeren Bett zusammen.
„Das falsche Zimmer", murmelte sie. „Irgend jemand hat Martin entführt und in einem Duplikat dieses Zimmers untergebracht, um Martin in die Irre zu führen."
„Wir werden ihn finden", sagte Dorian und schloß Coco in die Arme. „Und der Schuldige wird
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