131 - Unternehmen 'Crow's Nest'
sehen.
Es saß in einer kleinen Zelle auf einer Pritsche und starrte die Wand an. Es war sehr hübsch anzusehen, was sicher der Grund war, warum Major Rhineguard, der die Frau mit der schwarzen Mähne durch einen Einwegspiegel musterte, sich begehrlich die Lippen leckte.
Ja, der Anblick der Gefangenen war angenehm. Sie war verdammt ansehnlich. Crow fragte sich allerdings, ob »Colonel Mountbatton«, der bald ihre Bekanntschaft machen würde, ähnlich empfand: Nach dem, was er über die Physiognomie der Daa’muren wusste, war es eigentlich nicht vorstellbar. Doch andererseits hatten diese Leute sich an ihre irdische Existenz auch körperlich angepasst…
Spielte es eine Rolle? Die Frau in der Zelle war sein Köder.
Es genügte, wenn Mountbatton auf sie hereinfiel und gegen Lynne austauschte.
»Wie verhält sie sich?«
Rhineguard zuckte zusammen und wandte sich um. Er wollte salutieren, doch Crow winkte ab. So sehr er es auch schätzte, wenn man ihm die Ehre erwies – wenn er mit einem Offizier allein war, legte er keinen Wert darauf.
»Gesittet.« Rhineguards Hand sank herab. Dann gestattete er sich einen fast wehmütig klingenden Seufzer. »Ist eigentlich schade, dass Sie so ein Prachtweib hergeben wollen. Ich könnte sie mir gut als Zofe in meinem Quartier vorstellen…«
Ja, mit hohen Absätzen und einem kurzen Röckchen. Crow lachte leise. Das »Prachtweib« war ein Androide; ein mit Biomasse überzogenes Plysterox-Skelett, dessen Erinnerungen von einem Gedächtnischip stammten, der der guten Dr. Margaret Carter vor einiger Zeit in die Hände gefallen war.
Das Exemplar war das sechste seiner Art, und wenn Crow an die Nummern eins bis fünf zurückdachte, beschlich ihn ein mulmiges Gefühl.
Entstanden und perfektioniert worden war Nummer sechs in einem geheimen Labor einige hundert Kilometer von hier entfernt. Außer Crow wusste nur ein eingeweihter Wissenschaftler davon – und der hatte inzwischen das Zeitliche gesegnet. Selbst Rhineguard war nicht informiert; der Narr dachte immer noch, es handelte sich um eine Barbarin mit einer zufälligen, durch kosmetische Operationen verstärkten Ähnlichkeit mit Aruula.
Dass die ersten U-Men-Prototypen nicht zu seiner Zufriedenheit funktioniert hatten, konnte man niemandem zum Vorwurf machen. Mit Fehlschlägen musste jeder rechnen, der etwas Neues schuf. Anfangs hatten seine Wissenschaftler lediglich nach den Konstruktionsplänen gearbeitet, die ihnen in die Hände gefallen waren – doch inzwischen entwickelten sich die künstlichen Menschen zu recht kreativen Geistern.
Nummer sechs, die Frau in der Zelle, war das bisher beste Aruula-Double. Es war eine Freude sie anzusehen; nicht nur weil sie Commander Drax’ Gefährtin wie aus dem Gesicht geschnitten war.
»Glauben Sie, Colonel Mountbatton kennt Aruula?«, fragte Rhineguard. Er wusste inzwischen als Einziger, welche Rolle der angebliche Sonderbotschafter Ihrer britanischen Majestät wirklich spielte. »Ob er ihr schon mal begegnet ist?«
Crow zuckte die Achseln: »Wenn die Daa’muren Matthew Drax als Primarfeind sehen – was sie mir fast schon sympathisch macht –, werden sie auch wissen, wie seine größte Schwachstelle aussieht.«
Und genau darin lag Crows Hoffnung: Dass die Außerirdischen der Möglichkeit, Drax in die Hände zu bekommen, den Initiator und Kopf der verhassten Allianz, so viel Gewicht beimaßen, dass sie auf einen Tausch eingingen.
Ohne dass er sich in ihre Hände begeben und zum Verräter an der Menschheit werden musste.
Ich werde diese verdammte Echse linken, dachte Crow grimmig. Ich muss! Denn wenn es mir nicht gelingt, weiß ich nicht, was ich tun soll…
***
Der nächste Tag dämmerte kalt und ungemütlich herauf.
Der Schneesturm der vergangenen Nacht hatte Waashton mit einer weißen Decke überzogen. Ein kalter Wind ließ General Arthur Crow frösteln, als er sich an der Seite seines Adjutanten einen Weg durch die Gassen eben jenes Viertels bahnte, in dem er vor kurzem Bekanntschaft mit dem Schlagstock eines Stadtgardisten gemacht hatte.
Um erneute Zusammenstöße mit den unterbelichteten Schergen des Bürgermeisters zu vermeiden, waren Crow und Rhineguard diesmal als Kontrolleure getarnt, die darauf achteten, dass die Polizeikräfte ihren Dienst Ernst nahmen. Die schwarze Umhänge und undurchsichtige Kugelhelme tragenden, im Volksmund »Kettenhunde« genannten Männer genossen keinen guten Ruf: Jeder, der sie schon aus der Ferne sah, machte einen großen Bogen um
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