131 - Unternehmen 'Crow's Nest'
Nacht.«
»Einverstanden. Im Gegenzug möchte ich Lynne sehen.«
»Natürlich.«
Crow stand auf, bevor das Gespräch in Bereiche überwechseln konnte, die sich mit Verrat und Zusammenarbeit befassten und die ihm so gar nicht gefielen. Und die er hoffentlich bald ganz abhaken konnte. Sobald Lynne bei ihm war, würde er diesen Echsen die kalte Schulter zeigen.
Vielleicht sogar das Innere des WCA-Inhaftierungsblocks.
Auch Rhineguard machte Anstalten, sich vom Tisch zu erheben. Doch bevor sie Gelegenheit hatten, die Lokalität zu verlassen, ging die Tür auf. Vier in verfilzte Gerulfelle gekleidete Burschen schwangen sich lärmend auf die Tresenhocker und verlangten Alk. »Aber’n bissken pronto, Alta!«
Crows Hand umfasste seinen Driller unter dem Umhang, doch der Wirt, der seinen gespenstischen Gästen auf sonderbare Weise ähnelte, hegte offenbar ebenfalls Antipathien gegen die Burschen, denn er beugte sich über die Theke und verlangte, dass diese sein Lokal verließen. Die Stimme, mit der er sprach, klang eigenartig lallend.
Die Forderung des Wirts wurde mit Gelächter, Gejohle und wenig respektvollen Sprüchen begrüßt. Einer der Tagediebe packte ihn am Hemd und knurrte: »Hasse Probleme, Alta?«
Dann wurde es bizarr: Colonel Mountbatton, der die Szene am Tisch sitzend ungerührt musterte, hob plötzlich die rechte Hand.
Für die stoisch und wortlos auf ihren Stühlen hockenden Gäste war dies offenbar ein Signal, denn sie standen wie ein Mann auf, zückten ihre Schwerter und durchbohrten die respektlosen Burschen ohne jedes Zögern.
Als das Quartett zu Boden sank und sich zuckend in seinem Blut wälzte, hörte Crow Rhineguard fassungslos nach Luft schnappen – und ihm wurde bewusst, dass er, falls nicht im Hauptquartier der Daa’muren, doch zumindest in der Höhle ihrer örtlichen Helfershelfer gelandet war.
***
Als Collyn Hacker fünfzehn gewesen war, hatten ihn seine Eltern auf drastische Weise verlassen: Bei einem Aufstand gegen den Fettsack im Rathaus waren sie beide gefallen. In diesem besonders strengen Winter hatten die Gardisten, verstärkt durch die ›Grauen‹ aus dem Weißen Haus, mit Waffengewalt zwei Dutzend Hungrige an der Plünderung eines Kornspeichers gehindert.
Hacker hatte sich anschließend in den Keller einer Ruine verkrochen, ein paar Stunden wie ein Schlosshund geheult und sich dann Pancake Kids Bande angeschlossen. Pancake Kid war zwar ein echt schräger Vogel gewesen, aber er hatte sich für seine Leute mächtig ins Zeug gelegt. Leider hatte auch er später gegen die Engerlinge den Kürzeren gezogen. Crows Schergen hatten seine ganze Gang aufgerieben.
Was für ein Glück , dachte Mr. Hacker, als er in der Abenddämmerung an der Spitze seiner Kampfgefährten durch den verschneiten Wald stapfte, dass ich mich ein Jahr davor abgeseilt hab…
Manchmal erinnerte er sich ganz gern an die Zeiten, in denen sie sich mit ihren Konkurrenten, den Rotzlöffeln aus Anacostia, geprügelt hatten.
Aber er beglückwünschte sich auch heute noch zu dem Entschluss, einer Karriere als Stadtratte zu entsagen und sich den Running Men anzuschließen.
Wenn er an die Tage zurückdachte, in denen er im Verein mit Mr. Black, Mr. White (verstorben), Mr. Eddie (verstorben), Mr. Moses (verstorben), Miss Wells (verstorben), Filly dem Marder (verstorben), Monsieur Marcel (verschollen oder verstorben; Genaues wusste er nicht) den Säcken unter dem Pentagon das Leben schwer gemacht hatte, wurde ihm ganz warm ums Herz. Mr. White und Dr. Ryan hatten ihm beigebracht, wie man mit Computern umging. Und wie baff sie gewesen waren, als Collyn Hacker sich als verdammtes Genie erwiesen hatte, wenn es darum ging, geschützte Systeme aus den Angeln zu heben! Damals war auch sein Kampfname entstanden.
Und dann der Tag, an dem Mr. White die rotznasige Kareen Hardy mitgebracht hatte. Zuvor war sie mit dem Jung-Gangsta Snotnose Kid »gegangen«. Wo ist der eigentlich abgeblieben?
Hacker und Honeybutt hatten sich gleich gut leiden mögen, und es erfüllte ihn mit Stolz, dass ihre Freundschaft bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben war. Er empfand große brüderliche Gefühle für die junge Frau und wusste genau, dass auch sie ihn mochte: Menschliche Liebe war in dieser beschissenen Welt das Einzige, was wirklich zählte…
»Stopp!«, zischte Sabreena plötzlich an seinem Ohr. Das leise Knirschen ihrer Schritte im Schnee verstummte. Alle blieben stehen.
Aus der Finsternis unter den zusammengewachsenen
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