1310 - Lost Hollywood
stimmt wirklich.«
Die Landschaft hatte ihr Gesicht verändert. Es lag nicht nur an der allmählich aufziehenden Dämmerung, wir waren zudem in ein waldreicheres Gebiet gefahren, in dem die Bäume bis dicht an die Ränder der Straße heranwuchsen. Wir sahen die noch recht kahlen Bäume, aber es gab keinen Hinweis auf das Filmgelände. Wenn ich darüber nachdachte, dann traf der Begriff Lost Hollywood wirklich zu.
Suko hatte auf das Licht der Scheinwerfer verzichtet. Wir wollten keinen warnen, denn weit war es nicht mehr.
Ich merkte die innere Spannung, die allmählich anstieg. So etwas kannte ich. Da konnte ich mich durchaus auf mein Bauchgefühl verlassen. Zwischen den Bäumen lauerte uns niemand auf. Es gab auch keine Lücken mehr, in die ein Haus gepasst hätte, aber es gab den großen Torbogen, der schwach im grauen verschwindenden Tageslicht zu sehen war und den Eingang zu Lost Hollywood markierte.
»Das ist es«, flüsterte ich.
Suko ging vom Gas. So rollten wir langsam näher. Die Bäume traten zurück und verloren sich im Zwielicht wie flüchtige Gespenster. Ich schaute starr nach vorn und versuchte, mir jetzt schon ein Bild zu machen.
Wir fuhren in eine leere Straße hinein, die mich an die Main Street einer amerikanischen Provinzstadt erinnerte. Es fehlten nur noch die Telegrafenmasten.
»Sieht tot aus«, meinte Suko.
»Sind Vampire nicht tot?«
»Ach ja? Ich habe immer gedacht, dass sie untot sind.«
»Gut, einigen wir uns darauf.«
Mit seiner Einschätzung hatte Suko nicht so verkehrt gelegen.
Diese Straße war wirklich leer. Zumindest zeigten sich keine Geschöpfe, weder Menschen noch Wiedergänger. Dafür hatte sich die Natur schon einen Teil dieser Geisterstadt zurückgeholt. Die Straße war mit kleinen Pflanzen und Unkraut überwuchert. Ob es an den Hausfassaden ähnlich aussah, wussten wir nicht. Es war einfach zu dunkel geworden.
Suko fuhr bis zum Ende dieser Geisterstadt durch. Es gab dort keine direkte Abtrennung, auch keinen Ausgang. Lost Hollywood war einfach zu Ende, und es sah dort so aus wie am Anfang. Übergangslos wurde uns der Blick in die freie Natur gestattet.
Beim Wenden schüttelte mein Freund den Kopf. »Und so etwas existiert mitten in England.«
Ich zuckte die Achseln. »Wie auch die Flammenden Steine.«
»Richtig. Nur sind die unsichtbar.«
Wir brauchten einen Fixpunkt, von dem aus wir agieren konnten.
Suko hatte sich für die Mitte der verlassenen Filmstadt entschieden, und damit war ich einverstanden.
Langsam rollte der Rover aus. Als er stand, nickte mir Suko zu.
»Okay, dann lass uns mal aussteigen.«
Es war sowieso kein warmer Tag gewesen, doch mit Einbruch der Dämmerung hatte die Kühle zugenommen. So war es kein Wunder, dass wir fröstelten.
Ich hatte mich auf der Fahrt durch den verlassenen Ort so gut wie möglich umgeschaut. Wenn Justine Cavallo wirklich mitmischte, dann ging ich davon aus, dass wir möglicherweise einen Hinweis auf sie finden konnten. Leider hatten wir Pech gehabt. Durch Tim Rowland, den Zeugen, wussten wir, dass sie einen Transporter gefahren hatte. Den konnte man zwar nicht in einer Streichholzschachtel verstecken, aber auch nicht so einfach verschwinden lassen.
Wobei sie hier einen Vorteil besaß. Der Wald fing dicht hinter der Geisterstadt an. Da war es kein Problem, den Wagen mal kurz in ein Gebüsch zu fahren.
Suko schnippte mit den Fingern. »Wie gehen wir vor? Meiner Ansicht nach gibt es zwei Möglichkeiten.«
Da seine Denkweise auch meine war, gab ich die Antwort. »Wir trennen uns. Der eine nimmt sich die rechte, der andere die linke Seite der Straße vor. Dann sehen wir weiter.«
Suko nickte. »Nicht schlecht.« Mit dem Daumen deutete er über seine Schulter. »Viel Erfolg, Alter.«
»Danke, dir auch.«
Ich hatte so meine Bedenken bei dieser Aktion. Aber ich stellte mir auch die Frage, wen Justine Cavallo wohl in ihrem Transporter weggeschafft hatte.
Beute?
Möglich. Das heißt, für sie war es Nahrung, und wenn ich daran dachte, bekam ich leichtes Magendrücken…
***
Lana Lane hatte sich einen guten Platz zwischen zwei Hauswänden ausgesucht. Die Gasse war sehr schmal, und sie verschmolz zudem mit den Schatten der Dämmerung.
Die Untote schaute nach rechts. Von dort kam das Fahrzeug. Da sie noch wie ein Mensch dachte, wunderte sie sich darüber, dass der Fahrer nicht das Scheinwerferlicht eingeschaltet hatte. Er rollte durch die Dämmerung, in der er nicht viel erkennen konnte. Wer so fuhr, der verfolgte
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