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1311 - Die Teufelszunge

1311 - Die Teufelszunge

Titel: 1311 - Die Teufelszunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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setzte nach wie vor mit sehr staksigen Bewegungen einen Fuß vor den anderen.
    Es war nichts zu hören, abgesehen vom Spiel des Künstlers. Und diese Melodien drangen nicht nur in seine Ohren, sie erwischten auch den Kopf und veränderten dort sein Denken.
    Klaus, der Knipser, fühlte sich von der Atmosphäre voll integriert. Er blieb dann stehen, als er fast die erste Reihe erreicht hatte. Da fiel ihm ein, wer er war und wozu er eigentlich gekommen war. Er wollte Fotos schießen. Seine Kamera lag offen, war griffbereit. Er musste sie nur noch anheben, das Ziel ins Visier nehmen und abdrücken.
    Es klappte nicht so locker. Seine Bewegungen waren schwerfällig. Sehr langsam. Er verstand es selbst nicht, doch er musste es hinnehmen. Noch mal Fotos schießen. Noch mal versuchen, die schöne, nackte, junge Frau auf ein Bild zu bannen.
    So weit kam es nicht.
    Er wurde abgelenkt. Bisher hatte er sich darauf eingestellt, dass sich keiner der Zuhörer bewegte. Eine Ausnahme gab es. An einem Tisch in der ersten Reihe war die Bewegung entstanden. Dort erhob sich sehr mühsam ein blondhaariger Mann, der zusammen mit einem anderen Mann und einer Frau an einem Tisch gesessen hatte.
    Er stand jetzt.
    Er schaute zum Podium hin. Er visierte es an wie ein besonderes Ziel – und setzte sich dann in Bewegung…
    ***
    Ich ging. Ich biss die Zähne zusammen. Ich musste es tun, ich musste Kraft aufwenden, um die Schritte zu gehen, die mich zum Ziel bringen sollten. Es war auch kein normales Gehen, mehr ein Schlurfen. Ich schleifte tatsächlich mit den Sohlen über den Boden hinweg und schaffte es nicht, die fremden »Gewichte« abzustreifen.
    Was hatte diese Umgebung verändert? Marisa oder Walter Shols mit seinem Spiel?
    Es war mir unmöglich, darauf eine Antwort zu geben. Wahrscheinlich traf beides zu, aber sicher war ich nicht, und deshalb kämpfte ich mich weiter vor.
    Schritt für Schritt, Zentimeter für Zentimeter. Es war nicht einfach. Ich fühlte mich von Feinden umgeben, auch wenn ich sie nicht sah. Der Klang der Trompete blieb, denn Shols brauchte keine Pause einzulegen. So lange er spielte, war alles okay. Ich interessierte mich auch nicht für ihn, und seine starr auf dem Podium stehende Frau war für mich ebenfalls nicht interessant.
    Mich faszinierte Marisa. Sie war das lebendige Rätsel. Von ihr ging indirekt alles aus. Sie hatte es geschafft, diese Umgebung zu manipulieren durch Kräfte, die ich noch nicht erklären konnte.
    Dass ich schwitzte, war mir egal. Ich wollte zum Podium, auch wenn ich dabei in die Wärme des Scheinwerfers geriet. Die Lösung war genau dort zu finden.
    So schleppte ich mich weiter, als hingen unsichtbare Ketten an meinem Körper.
    Weiß schimmerte Marisas Haut. Durch das Licht zu hell. Es hatte ihr auch einen kalten Touch gegeben, sodass der Vergleich mit einer Schaufensterpuppe durchaus legitim war.
    Im Gegensatz zu einer Puppe lebte sie. Auch wenn die Augen mir recht starr entgegenblickten, entdeckte ich doch ein gewisses Leben darin. Und ich hatte zudem den Eindruck, dass sie mich an das Podium heranlockte. Sie wollte, dass ich zu ihr kam.
    Den Gefallen würde ich ihr tun. Nur gefiel es mir nicht, dass ich mich immer schwächer fühlte. Je mehr ich mich dem Podium näherte, desto größer wurden meine Schwierigkeiten. Ich musste schon meinen gesamten Willen aufbieten, um nicht schlappzumachen und mich einfach fallen zu lassen.
    Ich war kein Typ, der schnell aufgab. Erst recht nicht in einer Situation wie dieser.
    Und so blieb ich am Ball, auch wenn mich der eigene schwere Atem störte. Aber ich kam voran. Wäre ich in der Lage gewesen, zu springen, ich hätte das verdammte Podium schon längst erreichen können. Das war ich leider nicht.
    Auf einmal ging alles sehr schnell. Bevor ich mich versah, hatte ich die unmittelbare Nähe des Podiums erreicht. Ich widerstand dem Versuch, mich nach vorn zu lehnen und aufzustützen. Ganz normal blieb ich stehen, auch wenn meine Knie zitterten.
    Einatmen – ausatmen. Ruhe in meine Aktionen bringen. Mich nicht überfallen lassen. Wenn möglich, cool bleiben. Das allein war wichtig.
    Vor mir lagen noch die Stufen. In meinem Zustand kamen sie mir wie ein unüberbrückbares Hindernis vor. Ich stand davor und spürte auch mein leichtes Schwanken. Der Schwindel kehrte ebenfalls zurück. Die Musik kam mir nicht lauter vor als auf meinem Platz.
    Sie schien über meinen Kopf wegzuschweben.
    Aus der Nähe sah Walter Shols noch mehr aus wie eine Kunstgestalt. Es

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