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1311 - Die Teufelszunge

1311 - Die Teufelszunge

Titel: 1311 - Die Teufelszunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Es bewegte sich niemand. Dies erkannte der Fotograf trotz der nicht eben idealen Lichtverhältnisse. Wo immer er auch hinschaute, die Menschen saßen wie angenagelt auf ihren Plätzen. Auf den Tischen standen Weinflaschen. Es gab auch Wasser. In den Gläsern sah er beides, und keine Hand griff danach, um zu trinken. Wäre es nur eine kleine Gruppe gewesen, er hätte es verstanden. So aber kam ihm das Verhalten schon unheimlich vor.
    Musik kann faszinierend sein. Aber nicht so stark, dass sie die Menschen erstarren lässt.
    Etwas lief da falsch, das stand für Klaus, den Knipser, fest. Und es hing nicht nur mit seinen Fotos zusammen.
    Hank Gray stand hinter seinem Rücken. Er konnte nicht in den Saal hineinschauen, weil ihm der Fotograf die Sicht verwehrte.
    Aber war neugierig und tippte Klaus auf die Schulter.
    »Was ist denn los?«, flüsterte er.
    »Nicht viel.« Der Fotograf musste über die eigene Antwort selbst lachen. »Es ist alles ruhig.«
    »Und warum gehst du nicht rein?«
    Eine gute Frage!, dachte Klaus, der sich auf seinen Instinkt verließ. Er musste in den Saal hineingehen, um endlich Klarheit zu finden, aber er hatte auch seine Probleme damit. Er wollte nicht mit offenen Augen ins Verderben laufen und…
    Plötzlich zuckte er so hart zusammen, dass selbst Gray etwas merkte.
    »He, was ist denn?«
    »Die Nackte ist noch immer da!«
    Klaus hatte sich erst jetzt auf das Podium konzentriert.
    Hank musste kichern. »Dann ist sie jetzt eben auf ihren Platz zurückgekehrt.«
    »Sie war auch schon vorher da.«
    »Darf ich mal schauen?«
    Der Fotograf wurde abgelenkt. Er hatte nichts dagegen, dass Gray die Tür weiter öffnete, sodass auch er einen freien Blick bekam. In den folgenden Sekunden gab er keinen Kommentar ab. Er stand einfach nur da und bekam große Augen.
    »Genug gesehen?«
    »Die ist wirklich nackt.«
    »Das sagte ich doch.«
    »Kennst du sie?«
    »Nein, nein, die habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Da bin ich ehrlich.«
    »Gut. Aber dass sie da ist, das hat etwas zu bedeuten. Und ich werde es herausfinden.«
    »Okay, versuchen wir es.«
    Klaus hatte nichts dagegen, dass Hank an seiner Seite blieb. Zu zweit waren sie stärker, und er konnte sich gut vorstellen, dass sie noch auf etwas trafen, womit sie niemals gerechnet hätten. Es sah zwar nicht grauenvoll aus, aber die Atmosphäre redete eine Sprache.
    Der Fotograf spürte sie, als er die ersten Schritte in den Saal hineingegangen war. Es lag an der Luft. Es schwebte etwas in ihr. Es war nicht zu fassen, aber es war vorhanden. Er spürte einen gewissen Druck, der auf ihm lag, und als er einatmete, hatte er den Eindruck, etwas Fremdes würde in seine Lungen dringen.
    Alles war so anders geworden. In diesem Saal herrschte nicht mehr die gleiche Atmosphäre wie früher. Die fremde konnte er nicht bestimmen, aber sie war vorhanden.
    Ein weiches, indirekt anmutendes Licht empfing ihn. Nur vorn am Podium war es heller. Das lag am Kegel eines Scheinwerfers, der voll auf das Podium gerichtet war.
    Es gab keinen Mittelgang. Überall standen die Tische. Wenn er nach vorn gehen wollte, musste er entweder an der linken oder an der rechten Seite vorbei.
    Er entschied sich für die linke.
    Es interessierte ihn jetzt nicht mehr, ob Hank Gray hinter ihm war. Die neue Atmosphäre hatte ihn regelrecht fasziniert. Er war von ihr gefangen genommen worden und hatte das Gefühl, durch eine andere Welt zu schreiten. Wobei der Begriff »schreiten« passte, denn wie er sich bewegte, war es kein normales Gehen. Schon gar nicht bei ihm, denn er wirkte immer wie in Action. Ständig unterwegs. Immer auf der Suche nach dem guten Foto, aus dem sich noch eine Geschichte ableiten ließ.
    Das war hier nicht anders. Aber er knipste nicht. Er machte seinem Namen keine Ehre. Sein Berufswerkzeug tastete er gar nicht an, sondern schlich weiter.
    Kribbeln auf dem Rücken. Kleine Eiskörper, die nach unten rannen. Ein unsteter Blick. Eine Haut, auf der Schweiß lag. Jeder Zuschauer hätte einen konzentriert gehenden Menschen erlebt, doch das war nur äußerlich. Im Innern sah es bei Klaus anders aus.
    Da fühlte er sich der Normalität entrissen. Er war auch nicht in der Lage, das zu erklären. Mit jedem Schritt, den er tiefer in den Saal hineinging, sah es anders aus. Er verlor immer mehr von seiner eigenen Existenz und wurde, das musste er sich selbst eingestehen, zu einer Marionette.
    Er sah die Menschen an seiner rechten Seite nicht. Er hatte sich an den Geruch gewöhnt und

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