1314 - Im Bann der schönen Nymphe
Perlen aus ihren Augen. Sie zuckte mit den Lippen und ließ es trotzdem geschehen, von Jamilla in den Arm genommen zu werden. Jenny spürte den Druck des anderen Körpers. Die Haut der neuen Freundin war kalt.
Da schien kein warmes Blut durch die Adern zu fließen. Jenny überlegte, ob sie so etwas schon mal in ihren Märchen und Geschichten gelesen hatte.
Es war wohl nicht der Fall. Zumindest fehlte ihr die richtige Erinnerung daran.
Jamilla erlöste sie aus ihrer Umarmung und drückte sie leicht zurück. »Ich spüre deine Angst«, flüsterte sie Jenny ins Ohr, »die brauchst du nicht zu haben. Es wird alles wieder gut werden, das verspreche ich dir. Du wirst neue Welten erleben, und die Wunder darin werden für dich so normal sein.«
»Ich will aber nicht.«
»Ich schon…«
Jenny Mason hatte jetzt kapiert, dass Widerstand zwecklos war.
Ihre so genannte Freundin ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Wenn nötig, würde sie sogar Gewalt anwenden, und davor fürchtete sich das Mädchen.
»Komme ich denn wieder zurück?«, flüsterte Jenny.
»Wir werden sehen.«
Mit der Antwort konnte Jenny nicht viel anfangen. Deshalb sprach sie weiter.
»Aber ich will wieder nach Hause. Ich will meine Mum und meinen Dad wiedersehen. Auch Amelie. Sie hat bestimmt schon entdeckt, dass ich nicht mehr in meinem Zimmer bin und macht sich große Sorgen…«
»Amelie wird es hinnehmen müssen, kleine Freundin.«
»Dann kommt die Polizei.«
»Lass sie kommen.«
Jenny wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Ihr fehlten einfach die passenden Worte. Auf alles hatte Jamilla eine Antwort, und die wiederum passte ihr nicht.
»Komm jetzt, Kleine.«
»In den Teich?«
Jamilla lächelte nur geheimnisvoll. Eine Antwort gab sie nicht.
Einen Arm legte sie um Jennys Rücken. Die Geste sollte beweisen, dass sie alles im Griff hatte, und Jenny war nicht in der Lage, ihr Widerstand entgegenzusetzen.
So ging sie weiter. Kleine Schritte. Innerlich war sie angespannt.
So baute sie einen Widerstand auf, doch er reichte nicht. Jamilla war viel stärker. Was sie sich einmal vorgenommen hatte, das führte sie auch durch.
Durch den Schleier der Tränen sah Jenny Mason vieles nur verschwommen. Sie ging zwar, doch sie wusste nicht genau, wohin sie ihre Schritte lenkte. Bis sie von Jamilla zurückgehalten wurde und unter ihren Füßen bereits den weichen Boden des nahen Ufers spürte.
»Schau…«
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
»Es ist besser so.«
»Wohin denn?«
»Nach vorn und nach unten.«
Jennys Widerstand war geschmolzen. Sie sah nicht auf ihre Füße.
Der Blick fiel auf das dunkelgrüne Wasser, das so verdächtig ruhig vor ihr lag. Nichts malte sich mehr ab. Nur einige wenige Schilfblätter schwammen auf der Oberfläche.
»Das ist der Weg…«
Jenny schüttelte den Kopf, obwohl sie wusste, dass es zwecklos war. Ihr kam nicht mal der Gedanke, sich umzudrehen und zu fliehen. Ihre neue »Freundin« hatte alles im Griff.
Jamillas Hand fasste sie am Gelenk über ihrer linken Hand an.
Jenny war klar, dass sie diesen Griff nicht mehr würde lösen können. So blieb ihr nichts anderes übrig, als Jamilla zu folgen.
Die Weichheit des Bodens verschwand, denn schon der nächste Schritt hatte den Fuß in das Wasser eintauchen lassen. Jenny spürte es als einen kalten Schock und zog die Schultern hoch.
»Das ist gleich vorbei, Liebes…«
Jenny Mason wurde weitergezogen. Der kleine Teich nahm sie auf.
Jenny lauschte dem Plätschern, das bei jeder ihrer noch so kleinen Bewegungen entstand. Jamilla war größer als sie. So würde sie auch viel später versinken, während das Wasser bereits Jennys Hüften umspielte.
Sie war schon einmal in den Teich gegangen, doch sie konnte nicht sagen, dass sie sich daran gewöhnt hatte. Das Wasser war so kalt. Für sie bestand es aus zahlreichen Ringen, die mit jedem Schritt in den Teich immer höher stiegen.
Wie kleine Eispanzer umgaben sie den Körper des Mädchens und beeinträchtigten das Luft holen.
Wieder schimmerten Tränen in ihren Augen. Die Wasseroberfläche rückte immer näher. Sie konnte sich ausrechnen, wie lange es dauern würde, bis das Wasser über ihrem Kopf zusammenschwappte.
Jamilla sprach mit ihr. »Es ist eine so wunderschöne Welt, in die ich dich führen werde. Du wirst dich daran gewöhnen. Du wirst so vieles kennen lernen, von dem du bisher nur in deinen Büchern gelesen hast. Alles wird sich öffnen, vertraue mir…«
Jenny sagte nichts. Jetzt war es
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