132 - Entführt!
hinterdrein.
Sie wandte sich in jene Richtung, in die Saad hatte geflohen war. Bald entdeckte sie ihn, noch weit entfernt. »Na warte, mein Freund«, murmelte Aruula vor sich hin. »Erst führst du mich zu Honeybutt, und dann rupfe ich ein Chiik mit dir!«
Sie kam rasch näher. Saad erwies sich nicht gerade geschickt im Umgang mit einer Androne. Offenbar hatte er noch nie ein solches Tier gelenkt – von daher war es ein Wunder, dass er sie überhaupt in die Luft gebracht hatte.
Zumal er es mit seiner geringen Körpergröße noch schwerer hatte, der Androne seinen Willen aufzuzwingen.
Aruula flog bis dicht an den Verfolgten heran und sah, wie der Zwerg verzweifelt an den Zügeln zerrte. Seine Flugandrone bockte, und Saad wäre beinahe abgestürzt. Er lamentierte laut und andauernd, bevor er bemerkte, dass die schöne Barbarin neben ihm flog. Erschrocken hielt er inne, überlegte anscheinend kurz, was er sagen sollte.
»Ich hätte dich ja gern bei meiner Hütte abgeholt«, schrie er dann in ihre Richtung, »aber du siehst ja, dass dieses störrische Biest meinen Befehlen nicht gehorcht.«
Aruulas eigenes Flugtier scheute sich, noch näher an seinen Artgenossen heranzugehen. Aber Aruula war eine sehr geschickte Andronenreiterin, und so befand sie sich schließlich dicht an dicht im Parallelflug mit Saad.
»Wirf mir deine Zügel herüber!«, rief sie.
Geschickt fing sie die Leine auf, zwang ihre Androne in den Sinkflug und zog die andere mit sich. Bald landeten beide auf freiem Feld. Wütend saß Aruula ab, fasste den Zwerg an den Schultern und hob ihn aus dem Sattel. »Und jetzt will ich die Wahrheit hören, ist das klar, mein Verbündeter!?«
»Die Wahrheit…« Saad wand sich in Aruulas Griff. »Lass mich los, und du sollst sie hören…«
Sie stellte ihn auf den Boden vor sich und sah ihn herausfordernd an. Fast hätte sie zusätzlich ihr Schwert gezogen, doch dann ließ sie den Bihänder doch stecken.
»Die Androne… ich… ich wollte mir die Andronen anschauen und…«
»Die Wahrheit!« Aruulas Stimme war schärfer als ihr Schwert es jemals sein konnte. Sie beugte sich zu Saad hinab.
»Ich weiß, wo Faathme sich aufhält.«
Schuldbewusst schien Saad noch um einige Zentimeter zu schrumpfen.
»Wir werden zusammen dorthin gehen«, forderte Aruula.
»Du kannst von Glück reden, dass ich dir gefolgt bin. Du warst lebensmüde, dich völlig unvorbereitet auf eine Androne zu setzen. Sie hätte dich bis ans andere Ende der Welt gebracht.«
»In der Tat hatte ich… äh, einige kleinere Schwierigkeiten.«
Saad zog sein Tuch hervor und schnäuzte sich. »Übrigens, wusstest du schon, dass deine Augen funkeln, wenn du zornig bist?«
»Wo sind Honeybutt und Faathme?« Aruula war nahe daran, die Geduld zu verlieren.
»Auf der verbotenen Insel.« Die Worte klangen wie eine düstere Prophezeiung.
Aruula roch Ärger. »Wo ist diese Insel?« Saad zeigte ihr die Richtung, und sie seufzte. »Deine Schwierigkeiten, eine Androne zu lenken, sind noch größer, als ich dachte.«
»Es sind sehr große Tiere«, meinte er schulterzuckend.
Vor allem für Winzlinge wie dich. Noch war Aruula nicht zufrieden mit dem, was sie erfahren hatte. »Woher weißt du, wo die beiden sich aufhalten?«
»Ich kenne Faathmes Verhalten und…«
Aruula sah ihn grimmig an. »Ich verfüge ebenso über die Gabe des Lauschens wie die Frauen deines Volkes«, grollte sie und verschwieg, dass diese viel weniger ausgeprägt war. »Eine weitere Lüge, und…« Den Rest der Drohung ließ sie unausgesprochen.
Saad schluckte schwer. Dann setzte er ein misslungenes Grinsen auf und erzählte ihr genau das, was sie bereits vermutet hatte: Seine Schwestern hatten Honeybutt erlauscht –
und das übereine Entfernung von mehreren hundert Speerwürfen! Aruula war beeindruckt; dagegen war ihre Gabe nicht mehr als ein Funken gegen ein Buschfeuer.
»Du solltest dich öfters an die Wahrheit halten«, meinte Aruula. »Es hätte eine Menge Zeit gespart.«
»Als Zeichen meines guten Willens sollst du die ganze Wahrheit erfahren«, verkündete Saad.
Aruula zog die Augenbrauen hoch. »Die Wahrheit über was?«
»Über Faathme. Die Scham hat verhindert, dass ich es dir schon vorher erzählt habe…«
Doch wohl eher dein ausgeprägter Sinn zur Verschwiegenheit, dachte Aruula und fragte laut: »Was ist mit ihr?«
»Sie wurde von den Göttern verstoßen.« Saad schickte dieser Offenbarung eine Folge von Klagelauten hinterher.
Aruula war verblüfft. »Wie
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