132 - Entführt!
wie Honeybutt sofort bemerkte, denn normalerweise trug Aruula ständig ihr Schwert bei sich, und ohne den Bihänder wirkte sie beinahe nackt.
Honeybutt ergriff als erste das Wort. Sie musste Aruulas Misstrauen, das ihr überdeutlich ins Gesicht geschrieben stand, zerstreuen. »Das ist Faathme«, erklärte sie. »Sie hat mich entführt, doch das beruhte auf einem Missverständnis.«
»Sie soll verschwinden!«, rief Faathme. »Sie will mich töten! Mein Kind, mein armes Kind!« Ihre Stimme überschlug sich.
»Ich will dir nichts zuleide tun«, widersprach Aruula.
»Du kannst ihr vertrauen«, bekräftigte Honeybutt. »Sie wird dir nicht…«
»Ruhe!« Faathme riss den Driller hoch. »Alle wollen mich töten, alle! Wo ist Saad? Nur er kann dich hierher geführt haben!«
»Aruula kennt Saad doch gar nicht!«, rief Honeybutt verzweifelt. Was war denn nur mit der Zwergin los? Die Situation drohte zu eskalieren.
Faathme richtete den Driller auf Aruula. Der Lauf zitterte und Honeybutt bemerkte, wie sich Aruulas Muskeln anspannten. »Mach keinen Fehler, Aruula«, rief sie beschwörend. »Faathme, lass mich erklären, was meine Freundin…«
»Nein! Nein, nein, nein!« Faathme riss die Waffe hoch und drückte ab. Das Geschoss explodierte in der Decke der Hütte.
Holzspäne und Stroh rieselten herab. »Ruhe! Alle sollen ruhig sein!« Ihre Augen wurden größer und größer und ihr Atem ging hastig.
Aruula und Honeybutt verstummten. Nach einem Moment sagte Aruula leise: »Es ist nicht so, wie du denkst.«
»Doch«, widersprach Honeybutt.
»Ich meinte nicht dich, Honeybutt. Faathme, du bist nicht in Gefahr. Niemand will dich oder dein Baby töten.«
Faathme atmete heftig und stoßweise, ihr Brustkorb hob und senkte sich in rascher Folge.
Nach wie vor stand Aruula in der geöffneten Tür, und jede Hoffnung auf eine friedfertige Einigung zerbrach, als sich das verschneite Gestrüpp erneut teilte. Honeybutt sah, wie ein Zwerg daraus hervor sprang, das Gesicht verzerrt.
»Saad!«, schrie Faathme.
»Du solltest doch warten!«, zischte Aruula, als sie sich halb herumdrehte.
Honeybutt verstand nichts mehr, doch sie sah, wie Faathme zwei Schritte auf sie zu machte, den Driller auf sie richtete und eiskalt sagte: »Verschwinde von hier, Saad, oder ich töte sie!«
Doch Saad war nicht alleine gekommen.
Und nicht freiwillig.
Er befand sich auf der Flucht, denn hinter ihm brachen weitere Gestalten aus dem Buschwerk.
***
Der erste Eindruck war der von schierer Größe. Wuchtige, muskulöse Gestalten mit derben Gesichtszügen verfolgten Saad. Es waren drei, vier Männer, die plötzlich vor der Hütte auftauchten.
Jetzt verfluchte Aruula den Umstand, dass sie ihr Schwert zurückgelassen hatte, um Faathme zu einem unvoreingenommenen Gespräch verleiten zu können.
Deswegen stand sie den Angreifern nun unbewaffnet gegenüber. Lediglich Faathme trug Honeybutts Driller bei sich, doch in den Händen der Geistesgestörten wurde er eher zu einer weiteren Gefahr als zu einem möglichen Ausweg aus der unvermittelt unüberschaubar gewordenen Situation.
Die beiden vorderen Angreifer zogen im Laufen überdimensionale Schleudern aus ihren Taschen. Sie benötigten weniger als eine Sekunde, um Steine hervorzuholen, einzulegen und sie abzuschießen.
Alles ging rasend schnell. Noch ehe Saad die wenigen Meter bis zum Haus zurückgelegt hatte, traf ihn ein Stein mit voller Wucht am Hinterkopf. Mit einem Aufschrei wurde er von den Füßen gerissen und fiel direkt vor Aruula in den flach getrampelten Schnee. Sie erkannte eine blutende Platzwunde an seinem Hinterkopf, doch sie konnte sich nicht um ihn kümmern.
Schon flog ein zweiter Stein heran. Sie warf sich zur Seite, doch das Geschoss war nicht auf sie gezielt worden. Es flog zielsicher ins Innere der Hütte. Aruula hörte Faathme spitz aufschreien und danach einen Aufprall.
Die beiden Kleinwüchsigen waren schon in den ersten Sekunden der Auseinandersetzung außer Gefecht gesetzt worden. Blieben Honeybutt und sie selbst.
Jetzt waren die Muskelmänner heran. Trotz der Kälte trugen sie nur leichte Bekleidung. Ihre beinstarken, von blauen Adern durchzogenen Arme lagen komplett frei und glänzten, als seien sie mit Fett eingerieben worden.
Schon stand einer der Kerle vor Aruula. »Die is scheiße hübsch!«, rief er seinen Kumpanen zu und jagte ihr seine Faust entgegen – offenbar seine Art, mit attraktiven Frauen umzugehen.
Aruula wich aus, der Schlag ging ins Leere. Der Angreifer
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