1320 - Wolfsmond
leer war, würden die Frauen eine Suchaktion starten und Glenda sicherlich finden. Sie waren nicht angeschlagen im Vergleich zu ihr.
Helen schritt wie eine Königin, den Rücken durchgedrückt, den Kopf angehoben. So wie sie daherging, schien sie stolz auf ihre Nacktheit zu sein, die sie im Mondlicht präsentierte, das den Körper mit silbrigem Schein übergoss.
Es war wirklich ein erotisches Bild, das einem Kunstmaler viel Freude bereitet hätte, aber nicht nur ihm, auch die meisten Männer hätten sich dafür begeistert.
Selbst Glenda ließ sich von diesem Anblick faszinieren, kehrte jedoch sehr schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, als Helen den Van erreichte und stehen blieb.
Sie schaute hinein.
Noch tat sie nichts. Dann sah Glenda die Lichter aufblinken, als Helen den Wagen elektronisch geöffnet hatte. Nein, nicht geöffnet.
Sie war überrascht, dass er verschlossen war.
Zwei Mal rüttelte sie am Griff, schüttelte den Kopf, betätigte erneut die Elektronik und stand diesmal nicht so entspannt am Fahrzeug.
Jetzt waren die Türen offen.
Helen zerrte die hintere Tür auf, warf einen Blick in das Fahrzeug und schrie wütend auf. Zugleich wirbelte sie herum, um ihre Freundinnen und den Mann anzuschauen. Sie hob die Schultern und breitete die Arme aus.
»Sie ist weg!«
Der Ruf hatte auch Glenda Perkins erreicht, die ebenso zusammenzuckte wie die vier Frauen.
»Weg?«, flüsterte Kate.
»Ja. Schau selbst nach.«
»Aber wie konnte das passieren?«
»Es ist einfach, einen Wagen zu verlassen. Man kann ihn auch von innen öffnen.«
Maggy Carver fing an zu lachen. Halb laut und wissend klang es.
»Ihr habt einen Fehler begangen. Das heißt, wir alle haben ihn gemacht. Wir haben Glenda Perkins unterschätzt. Genau das ist es. Wir haben ihr eine Flucht nicht zugetraut.«
Keine der Frauen wagte einen Widerspruch. Sie wussten, dass sie sich zu arrogant benommen hatten. Jetzt waren sie erst mal sprachlos und schauten auf den nackten Mann, als erwarteten sie von ihm einen Befehl oder zumindest eine Reaktion.
Er wusste, was er ihnen schuldig war. »Dass sie euch entwischt ist, das ist eure Dummheit. Ich will sie haben, versteht ihr. Ich will sie nicht erst morgen oder übermorgen, sondern jetzt. Ihr werdet sie suchen. Ihr habt sie niedergeschlagen. Sie kann nicht fit sein und ist deshalb nicht so weit gekommen.«
»Wir finden sie!«, versprach Helen und setzte sich in Bewegung.
Sie ging mit schnellen Schritten auf den Pavillon zu und verschwand darin. Sehr schnell war sie wieder da. Angekleidet hatte sie sich nicht, aber mit beiden Händen hielt sie die Luger fest.
Unabsichtlich zielte sie damit in Glendas Richtung, und Glenda wusste genau, dass sie auch abdrücken würde, wenn es hart auf hart kam.
Helen gab den anderen Frauen ein Zeichen. »Wir fangen an. Weit kann sie nicht sein…«
***
Während Suko fuhr, telefonierte ich mit den Kollegen von der Nachtschicht. Wir kannten zwar den Holland Park, aber wir kannten ihn nicht wie unsere Westentasche und wussten demnach nicht, wo wir den Pavillon suchen mussten. Dabei half uns auch das Satellitenleitsystem nicht weiter, da war eben der Mensch gefragt.
Ich erreichte einen Kollegen, der sich auskannte, wie er mir bestätigte.
»Es geht um den Pavillon.«
»Ach, wirklich?«
»Sie kennen ihn?«
»Klar. Ich bin in der Nähe des Parks groß geworden. Als Kind habe ich dort öfter gespielt.«
»Und wo finden wir ihn?«
»Nicht eben auf dem Weg. Da müssen Sie schon in das Gelände hinein, Mr. Sinclair.«
»Das hatte ich mir sogar gedacht. Aber können Sie nicht mit einer Beschreibung dienen?«
»Das geht schon.«
»Bitte, ich warte.«
Der Kollege sprach mit einer sehr ruhigen Stimme. Er schien ein Mensch zu sein, den so leicht nichts aus der Fassung bringen konnte. So erfuhr ich, dass sich der Pavillon am Ostrand des Parks befand. Wir konnten die schmale Straße nehmen, die von der Kensington High Street in den Park hineinführte und an der Ostseite entlanglief. Vorbei am Commonwealth Institute und an der Botschaft des Staates Senegal.
»Nach der Botschaft beginnt der Wald, der sich bis an die Nordgrenze hinzieht.«
»Gut, und wo ist der Pavillon?«
»Am Beginn des Waldes. Es ist ein heller Holzbau, das war er früher zumindest. Eigentlich kann man ihn nicht übersehen, wenn man die Stelle weiß. Ich kann Ihnen allerdings nicht sagen, ob der Wald ihn nicht überwuchert hat, denn in den letzten Jahren bin ich nicht mehr dort
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