1320 - Wolfsmond
sie genau, wo sie ihr Ziel finden konnten. Das war Glenda.
Wenn Suko sie fand, wusste ich sie in guten Händen. Der Kerl war wichtig, der sich jetzt bewegte, was ich nicht als normal ansah, denn er war zuvor zusammengezuckt.
Dann drehte er sich.
Er tat es langsam, und das war mein Glück, denn ich war nicht mehr weit von ihm entfernt.
Kurz bevor er mich entdeckte, sprang ich aus der gebückten Haltung auf, machte einen weiten Sprung nach vorn und tauchte wie ein Rachegeist vor ihm auf.
Das Kreuz hatte ich noch nicht hervorgeholt. Dafür zielte die Beretta auf seinen Kopf…
***
Er tat nichts. Es gab keine Gegenwehr. Wie ein Felsblock stand er vor mir und schaute mich an.
Trotz der Dunkelheit sah ich, dass seine Augen ebenso dunkel wie sein strähniges Haar waren. Sein Gesicht konnte ich nur als feist bezeichnen, und dazu passte auch das Grinsen, das mir nicht gefiel, weil es mir einfach zu wissend vorkam.
Den Beweis für meine Annahme bekam ich in der nächsten Sekunde. »Ich habe dich erwartet, Sinclair.« Seine Stimme klang ruhig. Es schwang keine Spur von Aufregung darin mit.
»Oh, das wundert mich.«
»Kann ich mir denken.«
»Und warum hast du mich erwartet?«
»Du musstest kommen. Es ist dein Job. Du lässt dir doch nicht leichtfertig deine Assistentin wegnehmen.«
»Das stimmt.«
»Eben. Und deshalb musstest du kommen. Du hast mich gefunden. Ich weiß, dass deine Waffe mit geweihten Silberkugeln geladen ist und dass du ein Kreuz bei dir trägst, aber ich an deiner Stelle würde es mir überlegen, ob du es einsetzt.«
»Warum das denn?«
»Dann ist Glenda tot. Es kann sich nur noch um Sekunden handeln, bis sie gefunden wird. So weit hat sie sich nicht versteckt. Ich rieche sie. Ich rieche ihr Fleisch und ihre Ausdünstungen. Wenn du mich umbringst, ist sie auf der Stelle tot.«
Er war gut informiert. Er wusste Bescheid. Er kannte mich, aber woher? Warum kannte ich ihn nicht? Wieso war er mir bisher entgangen? So gut er auch war und so sicher er sich fühlte, er war nicht allwissend, denn meinen Joker kannte er nicht. Und ich sah auch nicht ein, dass ich ihm ein Wort über Suko sagte.
»Gut geplant«, lobte ich ihn stattdessen.
»So habe ich es mir gedacht. Ich musste etwas warten, bis ich einen Plan fassen konnte, um einen Freund zu rächen, der von euch gejagt und dann umgebracht wurde.«
»Ein Freund?«, wiederholte ich, und mein Erstaunen war dabei nicht gespielt.
»Ja.«
»Den ich kenne?«
»Auch das ist wahr.«
»Tut mir Leid, ich kann mich nicht erinnern. Freunde, die zu Ihnen gehören, kenne ich in der Regel nicht.«
»Alec Harris!«
Ich hatte den Namen gehört und wusste im ersten Moment darüber nichts zu sagen. Aber sehr bald schon »klingelte« es in meinem Kopf. Da erlebte ich einen Durchbruch, denn plötzlich fiel mir ein, dass Alec Harris ebenfalls ein Werwolf gewesen war. Nein, nicht ganz. Er hatte sich auf dem Weg dorthin befunden. Er war zudem der Zwillingsbruder eines Polizei-Captains gewesen, und die Kraft der Dämonenpeitsche hätte ihn schließlich vernichtet. [1]
»Ja«, sagte ich gedehnt. »Ich kann mich jetzt an Alec Harris erinnern. Er war auf dem Weg, eine Bestie zu werden. Das heißt, er ist sie schon gewesen, aber noch kein perfekter Werwolf.«
»Er war mein Freund.«
»Und Artgenosse, wie?«
»Ja.«
Das Geständnis hatte mich nicht überrascht. Ich wunderte mich nur, dass es so leicht und locker gegeben worden war. Allmählich hatte ich das Gefühl, dass diese Gestalt wirklich auf mich gewartet hatte. Ich kannte nicht mal ihren Namen und fragte danach.
»Ich bin Bruce Sander.«
»Tut mir Leid. Der Name ist mir unbekannt.«
»Ich war Alecs Freund. Wir haben vieles gemeinsam gemacht, aber wir wurden auseinander gerissen, und ich werde seinen Tod rächen.«
»Wirklich?«
»Du kannst es nicht verhindern.«
Woher nahm er die Sicherheit? Vertraute er nur seinen vier Frauen, die ihn fast anbeteten und Glenda finden wollten, um mich in die Klemme zu bringen?
Blitzschnell bewegte er sich!
Ich hatte ihn etwas aus den Augen gelassen. Meine rechte Hand wurde erwischt. Zwar nur gestreift, aber es reichte aus, um die Pistole aus der Schussrichtung zu bringen.
Ich wollte den Arm wieder in eine Schussposition bringen, doch Sander war schneller. Er hing plötzlich an mir und biss mir in den Oberarm…
***
Helen Snyder stürzte vor. Sie hatte nicht geblufft und Glenda tatsächlich entdeckt. Und sie war bereit, ihre Waffe einzusetzen und zu schießen.
Glenda
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