1322 - Das Grauen von St. Severin
Oder musst du damit dein Ego aufpolieren?«
Der Dämon, der nur aus Schwärze bestand und die Urzeiten auf der Erde bereits erlebt hatte, gab keine Antwort.
Wenn man davon ausging, dass auch mächtige Dämonen überlegen, dann musste ich das so sehen, denn in den folgenden Sekunden passierte nichts.
»Gut, Sinclair, gut. Ich gebe dir nach. Aber nur, weil ich an die Zukunft denke.«
»Genau das solltest du!«
Ich wollte wissen, ob er Wort gehalten hatte, zog mich zurück und hielt Hans Hoff dabei fest.
Was die Helfer zuvor nicht geschafft hatten, brachte ich fertig. Ich konnte ihn retten. Gemeinsam mit ihm prallte ich zu Boden in das weiche Gras hinein.
Die nächsten Momente gehörten dem Ehepaar Hoff. Seine Frau konnte es kaum fassen, ihren Mann wieder umarmen zu können, während ich mich drehte und langsam aufstand.
Wie Statisten auf einer Bühne standen Silke von Weser, Andreas Brass und Claas Claasen zusammen. In den Augen des Hoteliers gab es kein Erbe des Spuks mehr. Sie schauten so klar wie immer und ich ging davon aus, dass dies auch so bleiben würde.
»Sie haben es geschafft«, flüsterte Andreas. »Verdammt noch mal, John, das ist das zweite Mal gewesen.«
»Ja, aber mit anderen Vorzeichen.«
»Egal, es ist…«
»Da!«
Den Schrei hatte Claas ausgestoßen. Es war dumm von uns gewesen, nicht auf Hajo Becker zu achten. Er war längst erwacht, jedoch auf dem Boden liegen geblieben und hatte sich bewusstlos gestellt. Er musste alles mitbekommen haben, und er wusste jetzt, dass ihm ein Lebenstraum entglitten war.
»Ich will Nelly rächen!«, brüllte er und rannte auf die Figur zu.
»Du hast es mir versprochen! Ich wollte sie mit dir zusammen rächen. Ich habe diejenigen zusammengeholt, die an ihrem Tod Schuld tragen. Auch du bist nicht unschuldig gewesen, aber du wolltest alles wieder in Ordnung bringen. Ich habe dir vertraut…«
Er hatte sein Credo geschrien und war dabei auf seinen unheimlichen Helfer zugelaufen.
Wir alle hatten es gehört. Wir alle bekamen seine erneute Reaktion mit. Aber wir alle standen noch zu sehr unter dem Schock der letzten Ereignisse, so dass wir nicht schnell genug reagierten und uns auch dieser plötzlichen Gefahr nicht bewusst wurden.
Als ich es merkte, war es zu spät. Da hatte Hajo Becker den Mönch bereits erreicht. Er wollte ihm noch mal seine Enttäuschung von nahem zeigen, und er steckte den Kopf in die Öffnung.
»Nein – nicht!«, brüllte ich ihm zu.
Er hörte nicht. Er konnte auch nicht hören, denn der Spuk griff ein letztes Mal zu. Er bewies seine Macht auf grausame Art und Weise. Ich erreichte den Mönch zwar, aber ich sah, dass ich Hajo Becker nicht mehr helfen konnte.
Die Kraft des Spuks hatte ihn in die Figur hineingezogen. Was bei Hans Hoff nicht gelungen war, holte er sich jetzt. Ich schaute hinein, aber ich musste erkennen, dass jede Hilfe zu spät kam.
Die dichte Dunkelheit, beinahe schon zum Anfassen, zog sich zurück. Sie verdichtete sich dabei und was sich im Innern der Figur drehte, messbar von der Entfernung her nicht zu erfassen war, kam mir vor wie der computeranimierte Wirbel eines schwarzen Lochs, das dabei war, ganze Galaxien in sich hineinzusaugen.
Hier war es ein Mensch, den ich klein wie eine Puppe sah und der Sekunden später von der Schwärze völlig aufgesaugt wurde.
Einen Hajo Becker würde es auf dieser Welt nie mehr geben. Er war fast den gleichen Weg gegangen wie Nelly…
***
Mit der Lampe leuchtete ich in die Öffnung des Mönchs hinein.
Neben mir stand Claas Claasen. Silke von Weser hatte sich gegen ihn gedrückt. Sie zitterte. Es war nicht einfach für die Menschen auf der Insel, das Geschehen zu verarbeiten.
Eine Frage brannte dem Hotelier auf der Seele. Er hielt sie auch nicht zurück.
»Können wir jetzt davon ausgehen, dass der Fall des Mörder-Mönchs für alle Zeiten erledigt ist?«
»Das könnt ihr.«
»Ich glaube Ihnen.«
Auch ich konnte wieder lächeln und machte dem guten Claas Claasen einen Vorschlag. »Der Mönch ist ein wirkliches Kunstwerk. Ich würde ihn hier an der Kirche stehen lassen. Nicht als Warnung, sondern mehr als Hüter der Toten.«
Silke von Weser hatte mich ebenfalls verstanden. »Ich glaube, dass sich das einrichten lässt.«
»Super. So haben sie immer eine Erinnerung daran, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, von denen man nicht mal zu träumen wagt.«
»Sehr gut.« Claas Claasen drehte sich um. Er richtete sich auf und schaute an der Kirche vorbei zum Friedhof
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