1324 - Der Angriff
noch nie widerfahren war. Wenn Gegner auftauchten, waren sie vernichtet worden. Sie hatten sich immer ihr Blut geholt, und alles war recht einfach gewesen. Das sah jetzt nicht mehr so aus. Da waren gewisse Dinge auf den Kopf gestellt worden. Wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich waren, mussten sie sich eingestehen, dass ihnen diese Welt nicht mehr gehörte. Das war jetzt vorbei. Sie spielten nur noch die zweite Geige.
Aber sie würden nicht aufgeben. Ohne sich abgesprochen zu haben, drehten sie sich um. Gemeinsam verließen sie die Hütte.
Wer sie so sah, der hätte sie für ein normales Paar halten können und auf keinen Fall für zwei höllisch gefährliche Blutsauger.
Vor der Tür drehte sich Justine noch mal um. Sie warf einen Blick auf den Spiegel, der jetzt leer war und aussah wie immer.
Dracula II war schon nach draußen getreten. Das D auf seiner Stirn leuchtete. Er schaute in seine Welt hinein. Er suchte den dunklen Himmel ab. Er ließ seinen Blick auch über den Erdboden gleiten. Es war ja nicht nur finster oder stockdunkel. Es gab Schatten, aber sie besaßen in ihrem Innern eine gewisse Helligkeit, sodass der Betrachter den Eindruck haben konnte, dass es hier versteckte Lichtquellen gab, die nur nicht frei lagen, sondern von irgendwelchen Tüchern bedeckt wurden.
Vampire sehen auch in der Dunkelheit. Auch die beiden hatten keine Probleme damit, das erkennen zu können, was weiter entfernt von ihnen lag. Sie sahen den Himmel und auch die Bewegungen darunter. Mächtige Schatten, die ihre Kreise zogen. Die sich mit langsam anmutenden Schwingenbewegungen durch die Luft bewegten und sich zudem in der gesamten Umgebung verteilt hatten.
Wer als Mensch in diese Welt kam, der hatte immer das Gefühl, von einem permanenten Blutgeruch umgeben zu sein. Für Justine und Mallmann war dies anregend und wahrscheinlich auch für die Eindringlinge, die ihre Opfer suchten.
Es gab genügend andere Blutsauger in dieser Welt. Sie lebten in den Höhlen, in den Gräbern und Grüften des extra errichteten Friedhofs. Sie waren immer da, obwohl man sie kaum sah. Dann saßen sie in ihren Verstecken und lechzten nach Blut.
Beide zuckten zusammen, als sie einen schrillen Schrei hörten. Er war irgendwo vor ihnen aufgeklungen. Wo genau, konnten sie nicht bestimmen.
Sie schauten sich an.
Justine nickte. »Sie werden unsere Freunde zerreißen, wenn das so weitergeht.«
»Das fürchte ich auch.«
»Und?« Justine rieb ihre Hände.
»Wir werden es nicht zulassen«, erklärte er.
»Das ist gut.«
Mallmann nickte ihr zu. »Wir machen uns auf den Weg. Du normal, ich als Vampir, und ich weiß, dass sie gegen mich nicht ankommen. Du holst sie dir am Boden, ich pflücke sie aus der Luft und werde sie schon dort vernichten.«
»Dagegen habe ich nichts.«
Sie klatschten sich ab. Dann drehte Mallmann sich um und ging weg. Die blonde Bestie schaute ihm nach. Er lief nicht weiter. Bereits nach wenigen Schritten begann bei ihm die Verwandlung. Es sah ungewöhnlich aus, noch immer, obwohl Justine es kannte. Im Gehen nahm seine Gestalt eine andere Form an. Zuerst breitete sie sich aus, dann sackte sie zusammen und verlor an Größe.
Ein paar Bewegungen nach vorn, und dann wurde sie zu einem großen fliegenden Dreieck.
Justine schaute ihm nach. Dracula II stieg in die Luft. Es war einfach herrlich. Er flog geschmeidig, er schien gewichtslos zu sein.
Eine riesige Fledermaus, kraftvoll und mit Krallen versehen, die wie gewaltige Hände wirkten.
Es waren die Momente, in denen sich Justine auch ärgerte und vor sich hinfluchte. Sie erlebte einen Frust darüber, dass sie nicht die Person war, der es gelang, in die Höhe zu steigen. Sie musste leider auf dem Boden bleiben und dort kämpfen. Ein Fliegender hatte viel mehr Vorteile als einer, der sich nur am Boden bewegte.
Sie blickte ihm nach. Justine sah, wie er sich in der Luft drehte und dabei an Höhe gewann.
Mallmann war nicht zu einer richtigen Fledermaus geworden. Er besaß noch seinen Menschenkopf, auf dessen Stirn das D leuchtete.
Doch auch diese Farbe nahm ab, je weiter er sich entfernte. Feinde waren ihm noch nicht begegnet. Justine wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis es zu den ersten Kämpfen kam.
Sie wandte sich ab.
Bei einem Menschen wäre das Gefühl des Alleinseins stärker geworden. Nicht so bei der blonden Bestie. Ihr ging noch einmal durch den Kopf, was sie erlebt hatte, und jetzt spürte sie einen wahnsinnigen Hass auf die Eindringlinge.
Sie wurde
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