1324 - Der Angriff
denn Genaueres?«
»Nein, Bill. Ich habe nur Vermutungen.« Sie berichtete von ihrem Gespräch mit Glenda Perkins.
Damit lief sie bei ihrem Mann offene Türen ein. Bill fasste zusammen, indem er sagte: »Dann müssen wir uns also mit dem Gedanken anfreunden, dass er dahinter steckt.«
»Ja, das müssen wir wohl.«
»Und weiter?«
»Ich weiß es nicht, aber dir muss ich nicht erst sagen, mit welch einem Hass er uns verfolgt. Diese Angriffe sehen nach einem verdammt großen Plan aus.«
»Stimmt.« Bill rutschte von der Lehne.
Er griff wieder zum Telefon. »Ich werde jetzt Suko anrufen. Es kann sein, dass sich etwas Neues ergeben hat.«
»Ja, tu das!« Suko meldete sich sofort. Als er Bills Stimme hörte, stellte er nur eine Frage. »Du bist okay?«
»Bin ich.«
»Hast du auch…«
Der Reporter ließ ihn nicht ausreden. »Nein, Suko, ich habe nicht. Mir sind diese verdammten Flugwesen nicht begegnet. Ich kenne sie bisher nur aus der Theorie.«
»Da hast du Glück gehabt. Shao und ich wurden ebenso angegriffen wie John.«
»John, das ist das Stichwort. Was ist mit ihm?«
»Er ist zu Lady Sarah gefahren.«
»Und?«
»Ich habe bisher nichts von ihm gehört.«
»Wie stufst du das ein?«
»Nicht unbedingt positiv.«
Bill räusperte sich. »Nun ja, ich stecke nicht so tief in der Sache drin wie du, Suko, aber ich kann mir gut und gerne vorstellen, dass nicht alles glatt gegangen ist.«
»Eben.«
»Willst du weiterhin warten?«
»Ja. Zunächst mal. Ich gebe ihm noch eine Viertelstunde. Dann rufe ich bei der Horror-Oma an.«
»Würde ich auch so sehen. Noch eine Frage, Suko. Was sagt denn dein Bauchgefühl?«
»Wenn es sprechen könnte, Bill, würden mich seine Worte nicht eben erheitern.«
»Danke, das wollte ich nur wissen.«
»Ich wäre schon längst dort. Aber ich muss hier die Stellung halten. Sollten die Bestien angreifen, möchte ich nicht, dass Shao allein in der Wohnung ist.«
»Das verstehe ich. Bis dann…« Bill unterbrach das Gespräch, atmete tief durch und drehte sich zu Sheila hin um.
Sein Gesichtsausdruck machte ihr nicht eben Mut.
»Schlechte Nachrichten, Bill?«
Er hob die Schultern und wirkte leicht ratlos. »Nein, eigentlich nicht. Ich würde eher sagen, dass es gar keine Nachricht gewesen ist.«
»Aber die kann auch schlecht sein – oder?«
»Ja, das kann sie.«
Vor ihrer Frage holte Sheila tief Luft. »Lady Sarah…?«
Bill schwieg…
***
Der Schock kann einen Menschen treffen, wenn ihn plötzlich etwas überrascht. Er kann positiv und auch negativ sein.
Bei Jane und mir war er negativ.
Wir standen auf der Schwelle zur Küche und glaubten beide, dass es nicht wahr sein konnte. Wir waren wie paralysiert.
Auf dem Boden lag Lady Sarah!
Und sie lag in ihrem Blut!
Wir konnten in ihr Gesicht schauen, auf dessen wachsbleicher Haut sich Blutspritzer verteilt hatten. Sie sah aus wie eine leblose Puppe, die überfallen worden war.
Aber sie war keine Puppe, und das verdammte Blut war ebenso echt wie die Wunden an ihrem Körper.
Dachte ich was? Nein, ich konnte nicht denken. Ich stand neben mir, und trotzdem spürte ich einen heißen Schmerz, der durch meinen Körper lief wie eine Flamme.
Ich hatte schon viele schreckliche Bilder und grauenhafte Szenen erlebt, mit denen ich zurechtkommen musste. Aber es gab nur ganz wenige, die mich so berührten wie diese hier.
Das war schlimm. Wie damals, als meine Eltern ums Leben gekommen waren. Und auch hier lag jemand zu meinen Füßen, der mir viel bedeutet hatte. Aber nicht nur mir, auch Jane Collins, die das Gleiche sah wie ich.
Wir beide sprachen nicht. Es war einfach unmöglich. Wir standen da und starrten nach vorn. Zugleich auch zu Boden.
Ich wollte vorgehen, Lady Sarah anheben, sie ansprechen, aber ich war wie gelähmt. Sie lag da so still, so tot, und genau das wollte nicht in meinen Kopf hinein.
Sie durfte nicht tot sein. Nicht Lady Sarah Goldwyn, die Horror-Oma, die so viel überstanden und niemals aufgegeben hatte. Sie hatte sich immer wieder aus den gefährlichsten Situationen herauswinden können, manchmal auch ohne Hilfe, doch dieses Mal waren wir zu spät gekommen. Das wusste ich.
Sie hatte einen schlimmen Tod gehabt. Das sahen wir ihr an. Man hatte ihren Körper gezeichnet. Man hatte ihm tiefe Wunden zugefügt, die nie mehr verheilen würden.
Aber ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck, als hätte sie in den letzten Sekunden ihres Lebens noch etwas Schönes gesehen. Vielleicht war ihr ja der Blick ins Paradies
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