133 - Die Höllenmühle
ächzend wieder zurück, die Luft war
erfüllt vom raunenden Wind, dem Schlag des Tores gegen den Holzpflock und dem
Quietschen der Scharniere.
Wortlos setzten die beiden Männer ihren Weg
fort. An der morschen Holztür des Gatterzauns befand sich nur ein verwittertes
Namensschild. Einen Klingelknopf gab es nicht. Jeder, der de Boer besuchen
wollte, mußte sich die Mühe machen, das große, abseits gelegene Grundstück,
kilometerweit von jeder menschlichen Siedlung entfernt, zu überqueren.
»Ich weiß zwar nicht, was Sie hier finden
wollen, Kommissar ...«, sagte plötzlich Assistent Piet unvermittelt.
»Ich weiß es selbst nicht Piet. Aber die
Mühle wird von einem Menschen bewohnt, und man weiß von de Boer, daß er bis zum
späten Abend schweigsame Spaziergänge auf dem Grundstück und seiner Umgebung
macht. Für den Fall, daß er wirklich etwas gesehen hat, daß ihm etwas
aufgefallen ist, können wir nicht damit rechnen, daß er von sich aus an uns
herantritt. Da müssen wir schon die Initiative ergreifen .«
Der steinige Boden knirschte unter ihren
Füßen.
Kalt schlug ihnen der Wind ins Gesicht. Lars
Laasen stellte unwillkürlich den Kragen seines Trenchcoats auf, um seinen Hals
vor dem frischen Luftzug zu schützen.
Die beiden Männer steuerten auf die schmale
Tür zu, die direkt in die Mühle führte.
Hier war de Boers Zuhause. Er lebte einfach
und mehr als bescheiden.
Laasen verharrte im Schritt. »Die Umgebung
hier kommt mir so unwirklich vor«, bemerkte er leise und ließ seinen Blick in die
Runde schweifen. »Jahre und Jahrzehnte gehen ins Land und der Verfall der Mühle
läßt sich nicht mehr auf halten. Wenn man bedenkt, daß de Boer jetzt etwa
achtzig ist, kann man es gar nicht fassen, daß er hier allein und noch aus
eigener Kraft wirtschaftet, daß er hier in diesem abbruchreifen Gebäude
überhaupt noch haust. Man ist schon mehrere Male an ihn herangetreten, die
Wohnung hier aufzugeben. Aber davon will er nichts wissen. Er ist starrköpfig
wie fast jeder alte Mann .«
Laasen unterbrach sich plötzlich.
»Was war das ?« entfuhr es ihm.
Die Augen seines Begleiters verengten sich.
Auch er hatte ein Geräusch gehört. Ein leises Scharren im Stall.
Die beiden Männer warfen sich einen Blick zu.
Unwillkürlich ergriffen beide ihre Dienstwaffen, zogen sie aus der Halfter und
entsicherten sie.
Dann näherten sie sich dem Stall, aus dem die
Geräusche gekommen waren.
»Hallo ?« rief Laasen
in die Dunkelheit. »Ist da jemand ?«
Wieder das Scharren auf dem Boden. Doch keine
Antwort!
Laasen stand mit entsicherter Waffe, während
sein Begleiter vorsichtig eine Türseite nach außen zog. Schwer bewegte sie sich
in rostigen Angeln.
Laasen prallte zurück. Er und sein Assistent
starrten in zwei große, flackernde Augenpaare.
»Gäule ?« entfuhr es
Piet mit dunkler Stimme. »Wie kommen denn die hierher? «
In dem alten Stall standen tatsächlich zwei
Pferde. Sie waren schwarz wie die Nacht, und ihre Augen glühten, als würden
Höllenfeuer in ihnen brennen.
Piet fuhr es eiskalt über den Rücken.
»Früher gab es mal viele Tiere hier auf
diesem Grundstück«, ließ der Kommissar sich vernehmen. »Kühe, Gänse und Hühner
und Esel. Nach und nach hat de Boer alles abgeschafft. Allein bewältigte er die
Arbeit nicht mehr .«
»Und wie kommen die beiden Gäule jetzt
hierher ?«
»Wenn ich das wüßte, Piet, wäre ich auch
schlauer .«
Mit diesen Worten ließ Laasen seine
Taschenlampe aufflammen. Der grelle, breitgefächerte Lichtstrahl wanderte über
den Boden, die morschen Bretterwände, erfaßte die riesigen Spinnennetze in den
Ecken und an der Decke und blieb schließlich zitternd auf den Körpern der
Pferde liegen. »Das Fell ist noch feucht. Die müssen ganz schön gelaufen sein«,
sagte er mit Kennerblick.
Der ersten Überraschung folgte die zweite auf
dem Fuß.
Hinter dem Stall zwischen Wohnhaus und
Schuppen entdeckten sie die Kutsche.
Sie war ebenfalls schwarz wie die Nacht und
hatte die Form eines zu hoch geratenen, kastenartigen Sarges.
Die beiden Männer waren wie vor den Kopf
gestoßen.
Vorsichtig näherten sie sich dem hochrädrigen
Karren und versuchten einen Bück durch die winzigen rechteckigen Fenster zu
werfen. Doch die waren von innen mit einem schwarzen Tuch verhangen.
Piet probierte die Tür zu öffnen. Er drückte
die Klinke herab und die schwarze, leicht nach außen gebogene Tür der Kutsche
schwang lautlos auf, als ob sie von innen einen Stoß
Weitere Kostenlose Bücher