1330 - Die Kopfgeldjägerin
bald wieder weg. Allerdings werden Sie dann einen Toten hier im Haus liegen haben, doch das sollte für Sie das kleinere Übel sein.« Sie ging zum Tisch und hob mit der freien Hand den Stuhl an, auf dem vor dem Aufstehen der Hausherr gesessen hatte.
Sie stellte ihn so hin, dass sie den Essplatz unter Kontrolle halten konnte, wo sich jetzt niemand mehr bewegte. Selbst Karen hielt ihren Mund. Sie hatte die kleinen Hände gefaltet und betete stumm, was Elsa Gunn nur ein abwertendes Grinsen entlockte.
Sie war mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt und stellte sich vor, wie es sein würde, wenn sie Kugel auf Kugel in den Körper des verdammten Bullen jagte…
***
Suko und ich waren unterwegs.
Natürlich hatten wir über den Fall gesprochen. Suko wusste jetzt alles, was ich auch von Sir James erfahren hatte, und er war damit einverstanden, dass ich den letzten Rest der Strecke allein fuhr.
Unser Ziel war eine Neubausiedlung auf einem Gelände, das früher mal der Eisenbahn gehört hatte. Die Strecken waren stillgelegt worden, und so hatten Londoner Bürger hier bauen können. Da das Areal recht groß war, gab es zeitlich über Jahre versetzt mehrere Bauabschnitte. Bis der letzte Bewohner hier eingezogen war, würden bestimmt noch vier bis fünf Jahre vergehen. Da konnten die ersten schon wieder wegen zu hoher Belastungen ausgezogen sein.
Da erst der erste Bauabschnitt beendet worden war, hatte man auch noch keine Straßen angelegt. Innerhalb des Geländes gab es die breiteren Bauwege, über die auch die Lastwagen mit ihrem Material fuhren, und außerhalb führte der Weg durch Felder und Wiesen mit hohen Gräsern.
Nach der verfluchten Trockenheit hatte es an einigen Tagen kräftig geregnet. Da konnte die Natur wieder aufatmen, was sie auch getan hatte. Das Grün sah fast frühlingsfrisch aus, und mir kam es vor, als wären einige Gräser noch höher gewachsen.
Ein ankommender Wagen war in diesem Gelände nur schwer zu entdecken. Darauf baute ich, aber irgendwann war Schluss. Genau an dem Punkt, an dem ein knorriger Eichenbaum stand, der eine Kreuzung markierte.
Da stoppte ich den Rover.
»Endstation.«
Suko nickte, stieg aber noch nicht aus.
»Ist noch was?«, fragte ich.
Suko hob kurz die Schultern. »Denkst du eigentlich auch an Justine Cavallo?«
»Kaum.«
»Aber ich.«
Ich wurde misstrauisch. Wenn Suko so sprach, gab es sicherlich Gründe. »Warum?«
»Ich kann mir vorstellen, dass sie uns verfolgt hat. Sie gibt nicht auf. Sie will mehr oder alles. Das steht für mich fest. Die lässt nicht locker. Ich habe über sie nachgedacht«, murmelte er und schaute auf den krummen Eichenbaum. »Justine hat ihren großen Mentor verloren. Niemand weiß, was aus Mallmann geworden ist. Ob er sich verkrochen hat oder ob er vernichtet wurde. Kann sein, dass er sich auch nur versteckt hat, um abzuwarten. Ist im Prinzip auch egal. Jedenfalls schwebt die Cavallo ohne seine Rückendeckung im luftleeren Raum und hält sich deshalb an uns, weil wir ihr so etwas wie eine Basis geben. Wir sind die Richtschnur. An uns kann sie sich halten. Wir arbeiten ihr möglicherweise zu. Sie wird auch weiterhin versuchen, an Blut zu kommen, das muss sie einfach. Da gibt es keinen anderen Weg. Gleichzeitig drängt sie sich uns als Partnerin auf. Für mich ist das eine vertrackte Situation.«
»Ha, nicht nur für dich.«
Er schlug mir auf die Schulter. »Ich kann mich irren, aber es ist möglich, dass wir uns auf eine andere Form der Nachforschungen einstellen müssen, weil sie hin und wieder auftaucht, ohne dass wir sie eingeladen haben. Und sie wird nicht nur kommen, um dir das Leben zu retten, John. So denke ich, und das musste ich einfach loswerden.«
»Keine schlechten Gedanken«, lobte ich meinen Freund und Partner. »Nur kann niemand von uns darüber begeistert sein. Wir habe es bisher ohne ihre Hilfe geschafft, und wir werden es weiterhin packen.«
»Das sehe ich auch so.«
Ich fragte noch mal nach. »Aber gesehen hast du sie nicht?«
»Nein. Was allerdings nichts bedeuten muss, denn dir ist sie auch nicht über den Weg gelaufen.«
»Gut. Dann werde ich auf jeden Fall die Augen offen halten, wenn ich weiterfahre.«
»Weit ist es nicht mehr.« Suko öffnete die Tür. »Du packst es«, sagte er und hob den rechten Daumen an. Erst dann stieg er aus und war blitzschnell hinter dem krummen Eichenstamm verschwunden.
Ich holte tief Luft, als ich den Zündschlüssel drehte, um den Motor zu starten. Seine Worte und Bedenken gingen
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