1330 - Die Kopfgeldjägerin
hat ihn niedergeschlagen. Sie ist so brutal. Richtig gnadenlos. Ich hätte nie gedacht, dass ein Mensch zu so etwas fähig ist.«
»Leider gibt es immer wieder Ausnahmen, Mrs. Bulder…«
»He! Was soll das Gerede. Komm her, Sinclair, oder ich lege eines der beiden Kinder um.«
»O Gott, nein!«, keuchte Amy Bulder. Sie drehte sich hastig um und lief vor mir zu ihren Kindern hin.
Ich betrat das Haus.
Ich schloss auch die Tür. Danach hob ich die Arme und ging den Weg, den auch Amy Bulder genommen hatte. Sie saß wieder am Tisch zwischen ihren Kindern, und auf dem Boden sah ich die bewegungslose Gestalt ihres Mannes liegen.
Auch die übrigen Mitglieder der Familie wagten nicht, sich zu rühren. Wie schockgefrostet saßen sie auf ihren Plätzen. Kein Wort drang über ihre Lippen.
Dafür sprach Elsa Gunn. Und in ihrer Stimme klang der große Triumph durch, den sie verspürte.
»Herzlich willkommen, Sinclair. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich darüber freue…«
***
Das konnte ich mir vorstellen. Einmal war ihr der Triumph, mich zu töten, versagt geblieben. Ein zweites Mal würde ich das Glück nicht mehr haben, wenn es nach ihr ging.
Ich war trotzdem nicht hoffnungslos, denn für mich stand fest, dass Suko alles daransetzen würde, um die Dinge zu kippen. Ich war auch bewusst nicht so schnell gefahren. So hatte er Gelegenheit bekommen, schon tief in die Siedlung einzudringen.
Den Zeitplan hatte ich auch eingehalten, was Elsa Gunn sehr wohl bemerkte. »Pünktlich bist du ja, Sinclair, das muss ich dir zugestehen. Hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre.«
Ich sagte nichts. Mein Blick galt ihrer Waffe. Dieser Revolver, den ich schon vom Friedhof her kannte, bedrohte nicht mich, sondern war auf den Kopf eines etwa zehnjährigen Jungen gerichtet, dessen linke Wange feuerrot glühte und der am Tisch saß wie ein Musterschüler in einer der Zwergschulen des vorletzten Jahrhunderts.
»Ich halte meine Versprechen. Deshalb sehe ich keinen Grund, dass Sie den Jungen weiterhin bedrohen.«
»Das musst du schon mir überlassen. Ich werde ihn so lange unter Kontrolle halten, bis du deine Waffe hervorgeholt und unter den Tisch gelegt hast.«
»Okay.« Ich war froh, die Beretta mitgenommen zu haben. Wäre es anders gewesen, hätte ich nur ihr Misstrauen hochkeimen lassen.
Ein Polizist ohne Schusswaffe war für sie schwer vorstellbar.
Ich fasste die Beretta mit spitzen Fingern an, bückte mich, legte sie zu Boden und schob sie mit dem rechten Fuß unter den Tisch, wo sie unerreichbar für mich war.
Als ich mich wieder aufgerichtet hatte, lobte mich die Kopfgeldjägerin und richtete die Mündung auf meine Brust.
»So ist das richtig!«
»Sicher. Ich habe auch nichts anderes erwartet. Dann können Sie ja die Geiseln freilassen.«
Diese Forderung erstaunte sie so sehr, dass sie zu lachen begann.
»Ich soll die Leute hier freilassen, Sinclair? Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Sorry, aber in den Genuss werden sie bestimmt nicht kommen. Nicht so schnell.«
»Was wollen Sie eigentlich?«
»Deinen Tod!«
»Und warum? Was habe ich Ihnen getan? Ich weiß mittlerweile, wer Sie sind. Eine Elsa Gunn ist bekannt, aber sie werden in den Akten nicht als Mörderin geführt Angeblich sollen Sie eine der besten Kopfgeldjägerinnen sein, die es in den Staaten gibt. Zu diesem Job kann man stehen, wie man will, aber er qualifiziert sie noch lange nicht als Mörderin, die für Geld tötet.«
»Das sagst du. Aber manchmal hat man zwei Jobs, um sich über Wasser zu halten. Das Leben ist nicht billig. Gerade in der heutigen Zeit werden gute Profikiller gebraucht. Sie sind rar, und im internationalen Geschäft geht es immer härter zu. Da muss man sehen, wo man bleibt.«
Geldgier also! Ich hatte es mir schon gedacht. Da ich durch weitere Worte momentan nicht abgelenkt war, konnte ich mich auf die Person konzentrieren. Ich will nicht behaupten, dass Elsa Gunn verschlagen aussah, aber etwas davon stand schon in ihrem Gesicht geschrieben. Das lag an den Augen, die so schauen konnten. Lauernd, hinterlistig, verschlagen eben. Die gesamte Gesichtsformation war nicht feingliedrig geschnitten. Mir kam sie eher grob vor. Die etwas dicken Lippen, die Nase, die man nicht unbedingt als fraulich ansehen konnte. Und der kalte Ausdruck der Augen.
Insgesamt gesehen war sie trotzdem nicht hässlich. Sie hatte etwas, das auch Männer anmachte. Bekleidet war sie mit einem dunklen Hosenanzug, dessen Jacke offen stand. Unter
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