1334 - Der Ghoul und die Witwe
Moment noch nicht, aber das spielt keine Rolle. Ich würde sie gern kennen lernen«, schlug Jane vor und lächelte entwaffnend.
Der Totengräber zuckte leicht zusammen, so sehr hatte ihn der Wunsch überrascht. Dann schüttelte er den Kopf. Es machte ihm auch nichts aus, dass seine Mütze dabei leicht verrutschte. Die Stimme klang nicht mehr so freundlich.
»Hör zu«, sagte er, »welchen Grund sollte ich haben, dich dieser Frau vorzustellen? Es gibt für mich keinen.«
»Weil ich es will.«
»Interessiert mich nicht. Ich weiß nicht, wer du bist.«
»Im Gegensatz zu dir interessieren mich Friedhöfe nur beruflich. Und ich mag es nicht, wenn sie nach Verwesung und Leichen stinken. Nach altem Fleisch oder so. Ist das Antwort genug?«
»Nein. Wer hat dich geschickt?« Das Lauern war nicht zu überhören. Er ging auch einen kleinen Schritt zurück. »Du bist bestimmt nicht allein hergekommen.«
»Bin ich.«
»So meine ich das nicht. Du hast einen offiziellen Auftrag gehabt. Du tust den Job für die Behörde. Euch ist aufgefallen, dass mit dem Friedhof was nicht stimmt – oder?«
Perfekt!, dachte Jane Collins. Wirklich perfekt. Wenn er schon auf dieser Schiene fuhr, dann wollte sie ihn nicht auf ein anderes Gleis locken.
»Es kann sein.«
»Scheiße!« Der Totengräber war jetzt richtig sauer. Er schüttelte den Kopf. Sein Blick glitt von Jane Collins weg, als suchte er irgendwelche weiteren Menschen, die ihr zur Seite standen, sich aber im Moment noch versteckt hielten.
»Keine Sorge, ich bin allein.«
Er streckte ihr seinen Arm entgegen. »Noch mal, Jane. Wir haben hier nichts Ungesetzliches getan. Die Gräber waren bereits aufgebrochen. Wir haben nur die Knochen aufgesammelt. Mir fehlten noch einige, um ein Kunstwerk zu vollenden. Aus diesem Grund bin ich allein auf den Friedhof hier gegangen, um mich umzuschauen. Nicht mehr und nicht weniger habe ich getan. Dafür kann mich keine Polizei der Welt einsperren. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen. Fertig, aus, vorbei!« Er bewegte seine Hand hektisch hin und her.
»Für dich vielleicht, nur nicht für mich. Mir ist es im Prinzip egal, welch ein Kunstwerk du aus den Gebeinen der Toten schaffen willst, mich interessiert nur diese Edna. Ich weiß, dass du näher mit ihr bekannt bist. Auch wenn du mir den Nachnamen nicht verraten willst, ich gehe davon aus, dass du mehr über sie weißt. Dass du sie gut kennst, und ich möchte das Gleiche.«
»Wie?«
»Ich will zu ihr!«, erklärte Jane lächelnd.
Das verschlug ihm die Sprache. Antworten konnte er nicht. So schüttelte er den Kopf, was Jane Collins wiederum nicht gefiel. Sie schlug eine härtere Tonart an.
»Wir werden zu ihr gehen, ob du es nun willst oder nicht. Wir werden noch heute mit ihr reden. Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht besonders weit hier vom Friedhof entfernt wohnt, wenn sie schon immer gern zu diesem Platz hingegangen ist.«
»Das stimmt.« Danach schwieg er und schluckte. Er ärgerte sich darüber, so viel gesagt zu haben.
»Prächtig. Dann los.«
Der Totengräber schob seine Mütze zurück. Jane fiel auf, dass er keine Augenbrauen besaß. Oder sie waren so dünn, dass man sie nicht sehen konnte.
»Ich denke gar nicht daran. Ich bin doch nicht irre? Nein, nein, auf keinen Fall. Du wirst sie nicht zu Gesicht bekommen. Sie vertraut mir, ich vertraue ihr auch. Und dieses Vertrauen werden wir nicht brechen, das schwöre ich dir.«
Die Detektivin ärgerte sich über die Sturheit des Mannes. Nur dachte sie im Traum nicht daran, aufzugeben. Sie würde ihren Weg weitergehen, und das erklärte sie ihm auch.
»Ich laufe nicht zum Spaß über den Totenacker. Ich habe einen Job, einen Auftrag, und den will ich durchziehen.«
»Nichts kriegst du. Gar nichts. Ich lasse mich hier nicht…«
Jane tat es nicht gern. In dieser Situation wusste sie sich nicht anders zu helfen. Der Totengräber hatte sicherlich noch mehr sagen wollen. Das schaffte er nicht mehr, denn sein Mund blieb plötzlich offen, und er war sprachlos, als er in die Mündung der Beretta schaute, die Jane gezogen hatte.
»Reicht das?«, fragte sie.
Der Totengräber sagte nichts. Der Schreck musste ihn stumm gemacht haben. Trotz seines außergewöhnlichen Hobbys hatte er wohl noch nie in die Mündung einer Waffe geschaut. Ob er blass geworden war, konnte Jane nicht sehen. Zumindest hatte es ihm die Sprache verschlagen. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Alles klar?«, fragte sie leise.
»Willst du mich
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