134 - Geister im Grand Hotel
kriegerische
Auseinandersetzungen dem Erdboden gleichgemacht worden.
Von der Burg waren weder der Name bekannt
noch die genaue Lage.
Der Architekt hatte von der Hotelleitung den
Auftrag erhalten, das Grand Hotel wie eine alte Burg zu gestalten. Er hatte
keine Ahnung, wie die Burg, die es angeblich mal auf dem Zauberberg gab, die
jedoch in der Chronik nicht geschichtlich bestätigt wurde, ausgesehen haben könnte.
Über Sabatzkis Lippen kam ein leiser,
überrascht klingender Pfiff.
»Sieh mal einer an. Da hatte doch der gute
Architekt eine wahre Intuition .«
Der Nachrichtenagent hatte während der
letzten Tage alle möglichen Baustile zwischen dem elften und dreizehnten
Jahrhundert in den Computer gegeben. Alle Burgen und Schlösser, die je in
Deutschland gebaut wurden, enthielt die Diskette.
Und nun hatte der Computer die Umrisse des
Grand Hotels mit einem früheren Baustil vergleichen und auch bekanntmachen
sollen...
Das kaum zu erwartende war passiert.
Das Grand Hotel glich einer Burg, die es
genau in dieser Größe und dieser Form schon mal gab. Bis auf den dritten
Turm...
Simon Sabatzki fühlte Unruhe in sich
aufsteigen. Das war stets ein bemerkenswertes Zeichen.
Dann hielt ihn meistens nichts mehr dort, wo
er sich gerade aufhielt.
Wenn es keine genauen Kenntnisse über eine
Burg in dieser Form gab, wie war der Architekt dann fast auf den Zentimeter
genau auf ein solches Gebäude gekommen?
Die beiden Außentürme, der Wehrgang und das
ganze Grundkonzept entsprachen sich zentimetergenau, als wäre ein alter Plan
von einer Burg abgezeichnet worden. Und nur der dritte Turm war dabei
ausgespart worden.
Zufall oder Absicht?
Sabatzki warf einen Blick auf seine
Armbanduhr.
Es war 22.42 Uhr.
Er zerrte sein Notizbuch hervor, schlug es
auf und wählte dann eine Nummer, die er sich notiert hatte.
Nach dem zweiten Klingelzeichen wurde auf der
anderen Seite abgehoben.
»Ja, hier ist Gebhardt .«
»Hier ist Simon Sabatzki, Herr Gebhardt. «
Heinz Gebhardt war der Architekt, der die
Pläne für das Hotel entworfen hatte.
»Tut mir leid, daß ich sie noch mal stören
muß .«
»So war’s ausgemacht«, meinte Gebhardt
leichthin. »Sie sagten, daß Sie sich melden, sobald Sie auf etwas Interessantes
stoßen .«
»Das ist der Fall«, erwiderte Sabatzki. »Als
ich die Pläne für den Hotelbau studierte, wußte ich noch nicht, wie wichtig ein
zweites Gespräch mit Ihnen sein würde. Sie erinnern sich an unser erstes ?«
»Ja, natürlich. Sehr gut sogar. Sie wollten
wissen, welche Burg mich zum Bau des Hotels inspiriert hätte. Ich sagte - zum
Scherz - die alte Burg auf dem Zauberberg .«
»Und genau hier liegt der Haken, Gebhardt. Es
gibt kein Gemälde, keinen Stich, keine Beschreibung dieser Burg...«
»Deshalb war’s ja auch ein Witz. Es gibt
Sagen und Legenden, die sich um eine angebliche Ritterburg ranken. Das ist
alles. Die Burg wie sie heute als Grand Hotel zu sehen ist, war meine eigene
Idee .«
»Fast«, hakte Sabatzki sofort nach.
»Wie meinen Sie das ?« Gebhardts Stimme klang ein wenig verärgert .«
»Es gab diese Burg, bis auf einen einzigen
Unterschied. Der kann gering oder auch sehr bedeutend sein. Das kommt ganz
darauf an, von welcher Warte aus man das betrachtet...«
»Ich verstehe nicht, was sie damit sagen
wollen .«
»Ich will es Ihnen zeigen. Sie müssen sich
das selbst ansehen. Die Burg, die es angeblich nie gab, steht hier als
einwandfreies Bild auf meinem Monitor. Zentimeter genau deckungsgleich mit
Ihren Entwürfen!«
»Aber das gibt... es doch nicht !« stammelte Heinz Gebhardt. »Es ist mein eigener Plan,
inspiriert durch ähnliche typische Bauten. Aber doch niemals maßstabsgerecht
kopiert! Wissen Sie, was Sie da sagen? Sie greifen mich an meiner Ehre an. Sie
erlauben sich sicher nur einen Scherz«, änderte sich plötzlich der Ton seiner
Stimme.
»Es ist mir völlig ernst .«
»Dann zeigen Sie’s mir !«
»Deshalb rufe ich Sie an. Wenn es Ihnen
nichts ausmacht, noch von Goslar herüberzufahren...«
»Das ist ein Katzensprung. In einer
Viertelstunde bin ich bei Ihnen im Hotel .«
»Ich lade Sie danach zu einem Drink ein an
der Bar, Gebhardt .«
»Wahrscheinlich werde ich den auch brauchen,
wenn stimmt, was Sie mir da erzählen .«
»Bis nachher.« Simon Sabatzki legte auf und
blickte nachdenklich in eine imaginäre Ferne.
Wenn der Architekt das Unglaubliche sah, wie
würde er es sich erklären? Wie war er zu seiner Vorstellung gekommen?
Simon Sabatzki wurde das
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