134 - Geister im Grand Hotel
Gefühl nicht los,
daß die Unterredung mit Heinz Gebhardt länger als eine Drinkzeit dauern würde ...
*
Die Frau gähnte herzhaft und merkte, daß sie
sich nicht mehr auf ihre Arbeit konzentrieren konnte.
Aus dem Lautsprecher drang leise Musik.
Instrumentals, keine Lieder mit Text. Das war jetzt gerade das Richtige für
sie.
Sie lauschte den Klängen ihres Lieblingssenders
AFN.
Heute war viel Aufregung gewesen.
Angie Roith fühlte sich müde und seltsam
überdreht zur gleichen Zeit.
Der erneute Todesfall im Haus machte ihr zu
schaffen.
Sie fühlte sich unbehaglich und mußte sich im
stillen sogar eine gewisse Angst eingestehen.
War hier mit diesem Haus wirklich alles in
Ordnung oder barg es ein furchtbares Geheimnis? Sie glaubte nicht an Spuk und
Fluch . . . Aber jetzt, nach dem dritten Todesfall innerhalb von sechs Wochen,
stellten sich Gedanken ein, die sie früher nicht hatte.
Das Telefon schlug an, und sie hob müde ab.
»Hier ist Heike Perath«, meldete sich eine
freundliche Stimme. »Entschuldigen Sie, daß ich Sie jetzt noch belästige .«
»Ah, ich weiß. Jetzt fällt es mir wieder ein
...« Die Amerikanerin griff sich an die Stirn. »Wir wollten noch gemeinsam den
Plan durchgehen für den Kongreß der Heilpraktiker, der in der übernächsten
Woche stattfindet. Heike, entschuldigen Sie... Das habe ich total vergessen .«
»Ich habe mich schon gewundert, weil Sie
nicht anriefen .«
Angie Roith warf einen schnellen Blick auf
das Zifferblatt ihrer Armbanduhr: 21.53 Uhr. Sie seufzte und fuhr sich durch
die Haare. »Hat es Zeit bis morgen früh ?«
»Selbstverständlich. Ich habe den Plan so
weit fertig. Es geht nur noch um kleine Details. Die sind in wenigen Minuten
besprochen, Miß Roith .«
»Einverstanden. Verschieben wir’s bis morgen.
Schlafen Sie gut. Ich werde jetzt auch den Aktendeckel schließen und für heute
einen Strich unter die Arbeit machen .«
Sie legte auf, zündete sich eine Zigarette an
und rauchte hastig einige Züge.
Dann drückte sie die eben angerauchte
Zigarette aus, löschte das Licht und verließ das Zimmer.
Das Büro lag im Parterre.
Angie Roith machte noch eine Runde durch das
gutbesuchte Restaurant, wechselte ein paar Worte mit dem Restaurant-Chef und
ging dann über die Treppe in die erste Etage. Dort lag die Suite, die sie
bewohnte.
Die stellvertretende Managerin steuerte auf
die Tür zu und steckte schon den Schlüssel ins Schloß, als sie sich plötzlich
eines anderen besann.
Sie ging weiter, einen Stock höher.
Auf dem Weg nach oben begegnete sie keinem
Menschen. Alles war still.
Angie Roith fühlte sich beinahe magisch
angezogen von dem Platz, auf dem in den frühen Morgenstunden der Tote entdeckt
worden war.
Den ganzen Tag über war die Sonnenterrasse
dem Publikum wieder zugänglich gewesen, und kein Gast hatte zum Glück etwas von
dem unangenehmen Zwischenfall bemerkt.
Angie Roith lief durch den Verbindungsgang,
als sie eine Frauengestalt erblickte.
Es war nichts Ungewöhnliches daran, wenn in
einem gut besuchten Haus wie diesem, Menschen unterwegs waren.
Ungewöhnlich allein war die Tatsache, wie die
Frau gekleidet war.
Sie trug ein langes, dunkelblaues Kleid. Es
war rüschenbesetzt. Weit schwang der Rock bei jedem Schritt, den sie ging. Die
Fremde hatte aschblondes, zu Zöpfen geflochtenes Haar.
Angie Roiths Augen verengten sich.
Sie kannte zwar nicht jeden Gast, der im
»Grand Hotel« wohnte, aber von einem, der sich so auffällig kleidete, hätte sie
bestimmt schon etwas vernommen.
Die Unbekannte rannte plötzlich los, als sie
merkte, daß sie beobachtet wurde.
Genau auf die Wand zu, die seitlich die
Freiterrasse begrenzte.
»Hallo! Bleiben Sie bitte stehen !« rief die Managerin und winkte in Richtung der Fremden.
Die Frau mit den Zöpfen beschleunigte noch
ihr Tempo.
»Schlag mich nicht !« hallte ihre geisterhaft klingende Stimme durch den Korridor. Dann war das
Knallen einer Peitsche zu hören. Die Fliehende stürzte zu Boden, schrie und
wand sich wie unter Krämpfen.
Angie Roith war wie vor den Kopf gestoßen.
Was sie hier sah und erlebte, ging nicht mit
rechten Dingen Zu. Es spukte im »Grand Hotel«.
Die Amerikanerin erschrak, jedoch war sie
mutig genug, der seltsamen Sache auf den Grund zu gehen.
Einen Moment zögerte sie, dann rannte sie wie
nie zuvor in ihrem Leben.
Die Fremde mit den Zöpfen raffte sich
stöhnend wieder auf, und Angie Roith wunderte sich schon, daß niemand durch die
Lautstärke des Geschehens
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