1340 - Lady Sarahs teuflische Tochter
zweite Hand kam hinzu. Packte ihre Linke. Hielt ebenso eisern fest – und zog Jane nach vorn.
Der Sumpf verlor. Der tückische Schlamm war nicht mehr in der Lage, sie zu halten. Immer weiter wurden ihre Beine aus dieser Masse befreit. Ein allerletzter Zug noch, und plötzlich konnte sich Jane Collins wieder frei bewegen.
Die Hände ließen sie nicht los, obwohl sie hätte von allein schwimmen können. Stück für Stück wurde sie näher an den Steg herangezogen. Jane gelang es jetzt sogar, den Kopf über Wasser zu drücken und die Luft einzusaugen.
Tief, sehr tief holte sie Atem. Es war für sie etwas Wunderbares, dies tun zu können. In diesen herrlichen Sekunden der Freiheit merkte sie, wie das Leben wieder in sie zurückströmte. Das grausame Schicksal hatte sie nicht zu fassen bekommen. Sie würde leben können, und sie würde es genießen, mit jeder Faser ihres Nervenkostüms.
Das Wunder war geschehen, an das sie nicht mehr geglaubt hatte. Sie war frei!
Justine hielt sie jetzt nur noch an einer Hand fest. Sie hockte nach wie vor am Rand des Stegs. Jetzt war Jane die außergewöhnliche Kraft zugute gekommen, nur durch sie war sie gerettet worden.
Klitschnass von den Haaren bis zu den Füßen. Bedeckt mit Schlamm und allerlei Grünzeug glich sie mehr einer Wassernixe als einem normalen Menschen.
Die letzten Stunden hatten Jane bis an den Rand der Erschöpfung getrieben. Sie ärgerte sich zwar darüber, dass Justine sie auf den Steg zog, doch sie war auch froh dabei, denn ihre eigene Kraft hätte kaum ausgereicht.
Auf dem Rücken blieb sie liegen. Sie war platt. Nur mühsam hielt sie die Augen offen. Keuchend atmete sie die Luft ein, und niemand hinderte sie daran.
Für sie war es eine Welt der Wunder. Sie konnte wieder lachen, sie würde das Leben genießen können.
Vor ihr stand Justine Cavallo. Breitbeinig hatte sie sich auf dem Steg aufgebaut. Den Blick hielt sie nach unten gerichtet, damit ihr nichts entging, was Jane tat.
Es war nicht so finster, dass Jane nicht das glatte Gesicht der blonden Bestie erkennen konnte. Justine lächelte auf Jane Collins nieder, und dieses Lächeln veränderte sich von Sekunde zu Sekunde.
Sie zog die Lippen sehr in die Breite, was einen bestimmten Grund hatte. Justine Cavallo wollte Jane Collins wieder daran erinnern, wer sie tatsächlich war.
Zwei lange Zähne, die vorn spitz zuliefen und die darauf lauerten, sich durch die dünne Haut am Hals eines Menschen bohren zu können. Zwei Löcher schaffen, aus denen der rote Lebenssaft strömte.
Vom Regen in die Traufe!
Anders konnte Jane ihren Zustand nicht beurteilen. Sie war dort hineingeraten und würde ihn aus eigener Kraft nicht mehr verlassen können. Durch die Rettung aus dem Sumpf hatte sie sich voll und ganz in die Gewalt der blonden Bestie begeben.
War das besser?
Jane fühlte sich noch immer zu schwach, um sich darüber Gedanken zu machen. Sie brauchte Ruhe, um sich zu erholen, aber die Cavallo stand wie eine Drohung über ihr. Ihre beiden Zähne waren nicht zu übersehen.
Für eine Weile stand das Schweigen zwischen ihnen wie die berühmte Wand. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, doch Justine gab Jane nicht mehr viel Zeit.
Sie sprach die Detektivin an. »Ich hoffe, du weißt, wer dir das Leben gerettet hat.«
»Ja«, flüsterte Jane Collins, »ja, du hast es getan. Und ich weiß auch warum. Das Blut der anderen hat dir nicht geschmeckt. Es muss verseucht gewesen sein und…«
»Nein!«
Jane schloss die Lippen. Sie konnte sich unter dieser Antwort nichts vorstellen. »Was war dann?«
»Später, Jane.«
»Und jetzt?«
Justine Cavallo lächelte süffisant oder so, wie nur eine Siegerin lächeln konnte. Langsam sackte sie dabei in die Knie, und in ihren Augen stand plötzlich ein Leuchten. Sie kniete sich vor die liegende Jane Collins. Jetzt waren auch ihre beiden Zähnen nicht mehr zu sehen. Sie sah aus wie eine normale Frau.
Den Kopf schob Justine nach vorn. »Es läuft alles gut«, erklärte sie. »Zumindest für mich. Deinem Freund John Sinclair habe ich bereits das Leben gerettet, und nun warst du an der Reihe, Jane. Ist das nicht seltsam? Ich habe meinen ärgsten Feinden das Leben gerettet, und sie stehen in meiner Schuld.« Sie konnte nicht anders und musste ihrem Triumph einfach freien Lauf lassen. So hallte ihr schallendes Gelächter über den Sumpf hinweg und verklang in der Ferne.
Janes Kopf fühlte sich noch immer an wie von innen umwickelt.
Aber sie wusste jetzt Bescheid. Sie
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