1340 - Lady Sarahs teuflische Tochter
diesem Fall war sie völlig hilflos, und der verdammte Sumpf zog sie gnadenlos immer tiefer.
Jane spürte die Kälte nicht. Jetzt schossen Hitzewellen in ihren Kopf hinein, und der Druck um ihre Brust verstärkte sich immer mehr. Das Moor schien um sie herum allmählich zu Beton zu werden.
»Es ist bald so weit, Jane! Dann werde ich dich nicht mehr sehen. Du kannst ja noch die Hand aus dem Sumpf strecken und mir einen letzten Gruß zusenden. Ich habe gewonnen. Die Zeit des Wartens und des Lauerns hat sich gelohnt…«
Jane hörte nicht mehr hin. Das Blut war ihr in den Kopf gestiegen und schien dort zu fließen wie ein rauschendes Meer. Sie spürte das Tuckern hinter ihrer Stirn, und wenn sie Luft holte, vernahm sie nur ein Röcheln. Ein normales Atmen war nicht mehr möglich.
Die Landschaft um sie herum nahm sie überdeutlich wahr. Als hätten sich kurz vor ihrem Tod die Sinne noch geschärft. Alles war anders geworden. Nicht heller, aber…
Etwas störte sie.
Etwas war neu!
Nicht in ihrer unmittelbaren Umgebung im Sumpf, sondern schräg vor ihr auf dem Steg.
Dort bewegte sich jemand!
Jane konnte es nicht glauben. Sie hielt es für eine Halluzination, für die die Nähe des Todes sorgte. Da schien ein Gespenst aus der Dunkelheit getreten zu sein. Der Geist einer Moorleiche, der sich auf dem sicheren Weg durch den Sumpf bewegte.
Nein, es war kein Geist. Es war ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Einer mit sehr hellen Haaren, die in dieser grauschwarzen Welt zu leuchten schienen.
Eine Frau!
Noch war sie von Claudine Parker nicht bemerkt worden. Sie huschte näher, aber sie konnte auch nicht fliegen. Die Schwingungen des Holzes erreichten schließlich auch Claudine.
Plötzlich war Jane uninteressant für sie geworden. Auf der Stelle fuhr sie herum.
Die andere Frau blieb stehen. Ein scharfes Lachen erreichte auch Jane Collins und danach die Stimme, die sagte: »Ich denke, dass wir uns jetzt auf meine Art und Weise unterhalten sollten…«
Fast hätte Jane aufgeschrien oder sich heftig bewegt. Zum Glück konnte sie sich zusammenreißen, aber die Stimme kannte sie.
Sie gehörte Justine Cavallo!
***
War das überhaupt möglich? Oder doch ein Traum? Jane konnte keine Antwort darauf geben, weil alles anders geworden war. Sie glaubte, ihren Körper zu verlassen. Alle Gefahren waren plötzlich weit weg. Nur der Steg mit den beiden Frauen interessierte sie noch, und die standen sich gegenüber wie zwei Kampfhähne, die sich gegenseitig belauerten.
Auch für Claudine Parker war die Blutsaugerin Justine Cavallo völlig überraschend erschienen. Ihrer Reaktion war anzusehen, dass sie mit ihrer Anwesenheit nichts anfangen konnte. Die blonde Bestie war ihr suspekt. Sie trug ihre dunkle Lederkleidung und war wie ein Schatten aus der Finsternis erschienen.
Jane Collins wusste nicht, was sie noch denken sollte. Warum war Justine gekommen? War sie etwa erschienen, um eine andere Person zu retten? Wenn ja, dann handelte es sich nur um Jane. Aber welchen Grund sollte Justine haben, gerade eine Jane Collins vor dem Tod zu bewahren? Sie waren Feinde und bekämpften sich bis aufs Blut. Die Cavallo würde mit einem wahren Heißhunger ihr Blut schlürfen, um sich zu sättigen. Etwas anderes kam für eine wie sie nicht infrage.
Ja, so wäre es normal gelaufen. Hier allerdings kamen Jane Collins Zweifel. Zudem hatte sie gehört, dass die Cavallo sich in gewisse Dinge einmischte und sich um bestimmte Angelegenheiten kümmerte, seit ihr Mentor Mallmann verschwunden war und der Schwarze Tod die Finsternis wieder verlassen hatte.
Einige der Konstellationen hatten sich verändert. Es lief nicht mehr unbedingt so ab wie früher, und diese Gedanken ließen einen Hauch von Hoffnung in Jane hochkeimen.
Zugleich spürte sie die Gier des Sumpfs, der sie nicht hergeben wollte und langsam tiefer zog, obwohl es Jane schaffte, sich nicht zu bewegen.
Wenn Justine Cavallo tatsächlich gekommen war, um sie zu retten, musste sie sich verdammt beeilen. Das würde Claudine zu verhindern wissen, so weit dachte Jane auch.
»He, Blondie, was willst du?«
»Blut!«, flüsterte Justine.
Die Parker lachte. »Von mir?«
»Ja.«
»Du kannst es versuchen!«
»Das werde ich auch!«
Jane wunderte sich, dass es Justine nicht schaffte, die andere Person zu beeindrucken, denn ihr Mund stand bereits offen, damit sie ihre beiden Vampirzähne präsentieren konnte. Für jeden Menschen war es eine grausame Warnung. Er würde große Furcht bekommen und
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