1346 - Mallmanns Schicksal
des Kaffees mischte. Auf einem Teller hatte Sheila Plätzchen verteilt. Seit sie in Germany mal die Weihnachtsbäckerei kennen gelernt hatte, war dieser Brauch von ihr importiert worden.
Bill und ich setzten uns. Der Reporter konnte wieder lächeln und wandte sich an mich. »Es ist schön, dass du gekommen bist, John. Ich wollte einfach das Gefühl haben, wieder in der Realität zu sein.«
Er schüttelte den Kopf. »Was da über mich gekommen ist, das kann ich nur schwer begreifen, ehrlich.«
»Vergiss es.«
Bill verdrehte die Augen und schaute zur Tür, durch die Sheila mit Kaffeesahne das Zimmer betrat. Die hatte sie beim Tischdecken noch vergessen.
»Was ist los?«, fragte sie.
Bill winkte ab. »Nichts weiter. Wir haben uns nur eben unterhalten.«
»Kann mir schon denken, worüber.«
Sie setzte sich. Ich schnappte mir die Kanne und schenkte den Kaffee ein. Dabei huschten meine Blicke auch durch das Fenster nach draußen. Da hatte der Wind zugenommen und bewegte die Zweige der Gewächse heftiger. Es dämmerte bereits, und dicke Wolkenmassen trieben über den Himmel hinweg.
Sheila hatte auch für leise Hintergrundmusik gesorgt. Aus den Lautsprechern der Anlage rieselte leise Musik, die in eine klassische Richtung lief.
Ich fühlte mich wohl. In dieser Atmosphäre fiel der Stress wirklich ab, und auch das Gebäck mundete mir.
Wir sprachen über das nahe Weihnachtsfest wie normale Menschen und nicht wie welche, die unter dämonischer Beobachtung standen und immer mit gefährlichen Angriffen rechnen mussten.
So erfuhr ich, dass Sohn Johnny mal wieder auf dem letzten Drücker losgezogen war, um Geschenke zu kaufen.
Ich hatte keine Zeit gefunden, welche zu besorgen. Das erklärte ich den beiden auch, die dies voll und ganz akzeptierten.
Ausgerechnet Sheila kam wieder auf die »Normalität« zu sprechen. »Außerdem wird euer Team immer größer«, erklärte sie.
Ich schaute sie an. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ganz einfach. Ich denke an Justine Cavallo. Sie gehört sogar dazu. Das kann ich nicht begreifen. Aber man muss es wohl akzeptieren. Und dann hat man Bill dazu ausersehen, sie zu vernichten.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich noch immer nicht fassen.«
Der Reporter senkte den Blick und hob nur die Schultern. Ich wusste, dass auch Sheila unter dem litt, was passiert war, und mir fiel ein Satz des Kirchenvaters Thomas von Aquin ein.
»Mag das Böse sich noch so sehr vervielfachen, niemals vermag es das Gute ganz aufzuzehren.«
Sheilas Augen glänzten plötzlich. »He, das hast du toll gesagt, John.«
»Stammt leider nicht von mir. Aber Thomas von Aquin besaß schon damals den richtigen Durchblick, und ich denke, wir sollten das nicht vergessen.«
»Super, John. Das passt in die Zeit der Hoffnung.« Auch Bill stimmte mir zu.
»Und was ist mit Justine?«, fragte Sheila.
Ich runzelte die Stirn, während ich auf einem Stück Gebäck kaute. »Ich darf nicht vergessen, dass sie es gewesen ist, die mir letztendlich das Leben gerettet hat. Als mich diese Kopfgeldjägerin erwischte, befand ich mich in einer verdammt miesen Position. Diese Frau hätte mir das Gehirn aus dem Schädel geschossen. Justine kam im letzten Moment dazwischen, und mir ist es egal, wer mich vor dem Tod bewahrt hat. In dieser Lage war ich ihr dankbar. Alles befindet sich in Bewegung. Jeder hat sein Ziel, auch Justine.«
»Sie will Mallmann finden, nicht?«
Ich nickte Sheila zu.
»Wo könnte er stecken?«
»Keine Ahnung, ehrlich. Ich wäre sogar froher, wenn ich seine Leiche sehen könnte oder das, was von ihr übrig geblieben ist. So aber leben wir in der großen Ungewissheit, und das kostet Nerven.«
Bill, der sich zurückgehalten hatte, sprach seine Vermutung aus.
»Könnte es sein, dass er sich in dieser geheimnisvollen Parallelwelt aufhält, in die man dich ja auch entführt hat, John?«
»Ausschließen kann man nichts. Von dort aus versucht man, uns zu manipulieren. Das hast du am eigenen Leibe erlebt, Bill.«
»Leider.« Er schaffte ein Lächeln. »Aber ich habe mich inzwischen damit abgefunden. Ich weiß jetzt, dass ich selbst nichts dagegen unternehmen konnte, und richte mich darauf ein. Ich komme nur nicht mit der Gestalt dieses Mannes klar, der sich Koonz genannt und sich als Trödelhändler ausgegeben hat. Der Pfahl, den ich ihm abkaufte, ist ja nun verglüht. Ich bin mir jetzt nicht mal sicher, ob der die blonde Bestie überhaupt getötet hätte. Ja, ich kann nachdenken – heute. Aber nicht, als
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