1346 - Mallmanns Schicksal
ihn noch nicht, als sie plötzlich so etwas wie einen Sog erlebte, der sie an das Ziel heranzog.
Sie konnte nicht mehr anders. Sie streckte ihm die Arme entgegen, obwohl sie es nicht wollte.
Der letzte Schritt!
Dann griff die andere Macht richtig zu. Esmeralda, die Blutsaugerin, wurde nach vorn gezogen. Sie kippte in den Spiegel hinein. Sie stieß dagegen, aber sie merkte es nicht, denn der Sog war einfach stärker. Den Kontakt mit dem Boden hatte sie schnell verloren, und einen Moment später empfingen sie zahlreiche unsichtbare Arme, die sie in Tiefen hineinzogen, von denen sie noch nie etwas gehört hatte…
***
Der Schwarze Tod ließ sich Zeit!
Er kreiste über dem Friedhof. Sein skelettierter Körper bot dabei ein schreckliches Bild. Den Stiel der Sense hielt er mit beiden Knochenhänden fest. Wer ihn so beobachtete, hätte den Eindruck haben können, dass er ein bestimmtes Ziel suchte.
Daran glaubte Will Mallmann nicht. Das Ziel hatte er längst gefunden. Er gab es nur nicht zu erkennen. Da konnte Dracula II tun und lassen, was er wollte, er würde immer unter der Kontrolle dieses gewaltigen Superdämons stehen.
Abwarten, auf eine Chance lauern. Auf Esmeralda hoffen, die möglicherweise schnell genug war, um Hilfe zu holen. Justine Cavallo kannte den Zugang zur Vampirwelt. All dies würde auch nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Darauf setzte Mallmann. So lange musste er dem Schwarzen Tod Widerstand entgegensetzen.
Er hatte es auch geschafft, trotz seiner Verletzungen zu überleben. Die Wunde hatte sich leicht geschlossen, und von irgendwelchen Schmerzen konnte er sowieso nicht sprechen, denn sie spürte Mallmann nicht.
Er beobachtete das gewaltige Skelett. Noch machte es auf ihn nicht den Eindruck, angreifen zu wollen. Es spielte mit ihm. Es wollte ihn nervös machen, und es war sich hundertprozentig sicher, dass es gewinnen würde.
Welche Waffen habe ich?, dachte Mallmann.
Keine, wenn er es richtig bedachte. Er hatte sich stets auf die eigenen Kräfte verlassen. Bei normalen Menschen war das kein Problem gewesen, aber hier gab es die nicht.
Es gab nur den Schwarzen Tod. Und der war stärker. Das hatte er schon mal bewiesen.
Er war noch so hoch über dem Blutsauger, dass Mallmann von ihm keinerlei Geräusche vernahm. Das änderte sich erst, als er sich dem Friedhof entgegensenkte. Plötzlich wurde er schnell.
Mallmann hörte ein heiseres Lachen. Er spürte plötzlich Wind – und hatte den Eindruck, dass sich die Sense selbstständig machte.
Pendelnd schwang sie nach unten. Die Klinge war wie eine leicht gefärbte Glasscheibe, die alles zerschnitt, was sich ihr in den Weg stellte.
Haarscharf huschte sie an dem Grabstein entlang, hinter dem der Blutsauger Deckung gefunden hatte. Er hatte sich dabei sehr tief zusammengeduckt und empfand es schon als deprimierend, überhaupt so reagieren zu müssen.
Wie ein gewaltiges Pendel schwang die Sense wieder hoch und wurde von dem Skelett gehalten. Sie war bereit zum zweiten Angriff, der noch nicht erfolgte.
Es war das ewige Spiel des Siegers mit dem Verlierer. Mallmann kannte es. Auch ihm war es nicht fremd, denn sehr oft hatte er es selbst durchgezogen.
Er wusste, dass der zweite Angriff noch nicht sofort erfolgen würde. Der Schwarze Tod ließ seine Feinde immer im Unklaren, um die Überraschung auf seiner Seite zu haben.
Wohin?
Die Frage war für den Blutsauger nicht zu beantworten, und doch stellte er sie immer wieder. Er kannte kein Ziel. Hier war es nicht möglich, sich zu verstecken. Man würde ihn überall finden. Er konnte durch Tricks sein Ableben noch länger hinauszögern, aber er wusste auch, dass es ihn irgendwann mal erwischen würde.
Er kam wieder hoch. Mit schnellen Schritten wechselte er seinen Standort. Er lief auf einen der höheren Steine zu. Dort fand er eine bessere Deckung.
Als wären ihm die Beine unter dem Körper weggezogen worden, ließ er sich fallen. Hinter sich hörte er ein bekanntes Geräusch. Es entstand, wenn die Klinge durch die Luft schnitt. Es war so etwas wie ein tödliches Rauschen, und plötzlich sah die Welt für ihn ganz anders aus.
Er wusste, dass er nicht schnell genug war, um auf die Beine zu kommen, aber er drehte sich herum.
Die Klinge war da!
Sie zischte dicht über ihn hinweg. Ein schwacher Windstoß erwischte ihn, und einen Moment später entstand ein Geräusch, das nicht mehr laut war, aber trotzdem in seinen Ohren einen Nachhall hinterließ.
Etwas knirschte hässlich, als es zusammenbrach.
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