1346 - Mallmanns Schicksal
Kraken vergleichen, der immer mehr Arme bekommen hat. Kann man aus diesem gesamten Chaos trotzdem ein Konzept ableiten, wie unsere Gegner bekämpft werden müssen?«
»Nein.«
Sir James hob seine Augenbrauen an. »Warum nicht?«
»Weil auch die andere Seite kein Konzept hat. Keines, das man durchschauen könnte. Auch sie reagiert den Umständen entsprechend. Wenn irgendetwas angeschoben wird, sind sie da. Sie wollen die Herrschaft, wer auch immer. Wenn sie sich untereinander zerfleischen, kann uns das egal sein, doch dazu wird es nicht kommen. Sie bekämpfen sich zwar gegenseitig, aber wir werden immer zwischen die mächtigen Mahlsteine geraten, dafür sind die Ziele in unserer Welt oder Umgebung einfach zu wichtig. Da brauche ich nur an die Templer zu denken. Ein Vincent van Akkeren hat sein Ziel, sie zu übernehmen, bestimmt nicht aufgegeben, auch wenn ihm der letzte Anschlag misslungen ist.«
»Aber zu welch einem Preis, John.«
»Da gebe ich Ihnen Recht, Sir. Allerdings wollen die Templer ihr Haus wieder aufbauen, und ich denke, dass sie schon damit beschäftigt sind.« Ich deutete auf das Telefon. »Ich habe mir noch vorgenommen, bei ihnen anzurufen.«
Sir James nickte. »Nun ja, John, ich hoffe, dass mal die Zeit kommen wird, um eine positive Bilanz zu ziehen.«
»Das wäre mein größter Weihnachtswunsch.«
Wir schauten uns an. Dann nickte mein Chef. Er stand auf, und auch ich erhob mich.
Wir reichten uns die Hände.
»Dann trotz allem fröhliche Weihnachten, John.«
»Ihnen auch, Sir.«
Er verließ das Büro. Ich schaute ihm nach, wie er durch das Vorzimmer ging, in dem sonst Glenda Perkins saß, und mir fiel sein leicht gebeugter Gang auf. Auch Sir James litt unter den Gegebenheiten, auch wenn er es nicht so zeigte.
Wir hatten uns auch nicht angelogen. Es war tatsächlich für uns kein gutes Jahr gewesen, denn diesmal hatte die andere Seite stark dazugewonnen.
Ich setzte mich wieder hin. Lady Sarahs Tod hatte Sir James nicht erwähnt, aber sicherlich daran gedacht, ebenso wie ich. Die Horror-Oma war für mich so etwas wie eine Ersatzmutter gewesen. Ich hatte mir vorgenommen, ihr Grab zu besuchen, bevor ich die anderen abholte.
Zuerst musste ich in Alet-les-Bains anrufen. An einem solchen Tag war das einfach wichtig.
Godwin de Salier, der Templer-Führer, hob nicht ab, aber ich wurde mit ihm verbunden.
»John, das ist eine Freude, deine Stimme zu hören.«
Ich lachte leise. »An einem Tag wie diesem musste ich dich einfach sprechen.«
»Danke.«
»Und? Wie geht es euch? Entschuldige die profane Frage, aber sie ist trotzdem wichtig.«
»Das weiß ich doch. Es war kein gutes Jahr für uns«, erklärte Godwin, »aber wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben. Das ist es, was uns stark macht, die Hoffnung.«
»Sicher«, gab ich zu. »Und wie sieht es in der Praxis aus?«
»Du denkst an den Wiederaufbau?«
»Ja.«
»Es geht voran.« Er musste sich räuspern. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir so viele Freunde haben, die uns auch finanziell unterstützen. Da hat auch Jane Collins einen großen Schritt getan. Sie hat uns eine nicht unbeträchtliche Summe gespendet. Ich denke, dass wir es bis zum Beginn des Frühjahrs geschafft haben, falls das Wetter mitspielt und es nicht zu frostig wird.«
»Dann kann ich nur gratulieren. Aber wo Licht ist…«
»… da ist auch Schatten«, fuhr Godwin fort. »Ich weiß das schon.«
»Hast du einen Schatten erlebt?«
»Nein, John, das habe ich nicht. Weder von van Akkeren noch von Saladin, dem Hypnotiseur. Ich mache mir trotzdem keine Illusionen, denn ich weiß, dass sie nichts vergessen haben. Sie werden auch nicht aufgeben. Das große Ziel bleibt bestehen.«
»Dann darf ich euch zunächst ein besinnliches Weihnachtsfest und für die Zukunft alles Gute wünschen verbunden mit der Hoffnung, dass sie für euch besser aussehen wird.«
Godwin lachte leise. »Ja, daran denken wir auch. Und ich glaube fest daran, dass es eintreten wird. Dir und allen, die ich kenne, das Gleiche von uns.«
»Danke, werde ich ausrichten. Und bis auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.«
Ich legte auf. Ohne in den Spiegel zu schauen, wusste ich, dass mein Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck angenommen hatte, vielleicht sogar einen sorgenvollen.
Tief holte ich Luft und stand auf. Es war im Büro still, aber nicht nur in dieser Umgebung. Scotland Yard war natürlich auch über die Feiertage besetzt, nur merkte ich das nicht so. Es herrschte schon eine bestimmte Stimmung,
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