1348 - Die ESTARTU-Saga
Präferenzstrang trat, war weit und breit nichts von Mlironern zu sehen. In fünfhundert Metern Entfemung erhob sich der trutzige Schwalbenschwanz-Kristall fast einen Kilometer aus dem Dschungel. Das Licht der Sonne Thidda spiegelte sich gleißend in den glatten, fast blütenweißen Flächen der geometrischen Kristallflächen. „Über dem Dschungel liegt die Stille des Todes", sagte Atlan. Kein Laut war zu hören, nicht einmal das Summen von Insekten. „Aber das Umland sieht auch nicht wie ein Schlachtfeld aus. Ist es möglich, daß die Somer die Belagerer mit einer Überdosis Kodexgas ausgeschaltet haben?"
„Das versuchten sie tatsächlich, aber Veth und seinen Leuten stand ausreichend Anti-KM-Serum zur Verfügung", antwortete ich. „Nur der Fauna eben nicht. So still war es schon bei meinem ersten Besuch.
Aber wo sind Veths Rebellen?"
Wir hatten keine Mühe, den Weg zur Upanishad zu finden. Veths Leute hatten das Unterholz längst schon ausgetilgt und niedergetrampelt. Nur die uralten Dschungelriesen standen noch, aber kein Stamm, in den nicht irgendwelche Parolen in mlironischer Schrift eingeritzt oder eingebrannt gewesen wären.
Und wo waren Veth und seine Mlironer selbst?
Die Antwort bekamen wir, als wir durch den gelichteten Dschungel das Portal der Upanishad sehen konnten. Die beiden schmalen, jedoch gut zwanzig Meter hohen Torflügel standen offen. Kein Energiefeld schützte den Eingang. Davor bildete eine Batterie von Lasergeschützen, die von Mlironern besetzt waren, einen Halbkreis. Ein Flugpanzer verstellte den Eingang. Die Mlironer gerieten sofort in Aufruhr, als sie uns entdeckten, aber dann erkannte mich einer von ihnen. An der zu einem Hahnenkamm gestylten Frisur, die wie ein Kriegsschmuck anmutete, erkannte ich Lano Minal, einen von Veths engsten Vertrauten.
In der den Mlironern eigenen melodischen Art befahl er den anderen, die Waffen ruhen zu lassen, und die Rebellen entspannten sich. „Wie ist es möglich, daß ihr die Gipsburg offenbar kampflos erobern konntet, Lano?" fragte ich auf sothalk. „Hörst du es denn nicht, Alaska?" fragte Lano Minal heiter. „Hörst du denn nicht die Stimme der Freiheit? Klingt sie nicht wie Musik? Sie dringt dir schon von weitem ins Gehirn und von dort direkt ins Herz. Und wenn du dem Verkünder einer neuen Ordnung nahe genug kommst, dann kannst du seine Botschaft auch mit den Ohren hören. Tritt ein, mein Freund, und höre, was der Attar Panish Panisha Oogh at Tarkan zu sagen hat."
Ich lauschte angestrengt, aber außer einem unverständlichen mentalen Hintergrundwispern konnte ich nichts hören. Erst als ich an dem Flugpanzer vorbei durch das Tor trat, da wurde das Wispern intensiver.
Aber es blieb weiterhin unvers'tändlich, bis ich in die weitläufige Empfangshalle kam.
Das Wort des Ewigen Kriegers ist eine Lüge ... „... Die Lehre vom Permanenten Konflikt ist eine Philosophie des Todes. Jeder, der an sie glaubt, ist nicht Auserwählter, sondern Opfer", drang die Stimme auf mich ein. Der Sprecher bediente sich eines altertümlich wirkenden Sothalk, von dem ich nur jedes Wort verstehen konnte, weil der Inhalt mich auch auf telepathischem Weg erreichte. Ich konnte die Mentalstimme und die akustische kaum auseinanderhalten. „Es ist unglaublich", sagte Atlan an meiner Seite. „Wenn ich es nicht selbst hören könnte, würde ich es nicht für möglich halten, daß dieser Aufruf in allen Upanishada zu hören ist. Oogh at Tarkan muß vor fünfzigtausend Jahren oder so gelebt haben."
„Er ist wiederauferstanden", sagte eine krächzende Stimme hinter mir. Allein daran erkannte ich Veth Leburian. „Er wurde geweckt, als die Ewigen Krieger den Mißbrauch seiner Lehren auf die Spitze trieben. Das ist der zündende Funke, der für ein reinigendes Feuer sorgen und den Völkern von Estartu die Freiheit bringen wird."
„Und dennoch bist du immer noch ernst, Veth?" fragte ich den Desotho, dessen blasses Gesicht durch die schwarzen Pigmente und die gekräuselten ockerfarbenen Lippen einen grimmigen Ausdruck bekam. „Ich kann erst fröhlich sein, wenn wir die Kraftprobe überstanden haben", sagte Veth Leburian. Er trug noch immer sein schäbig wirkendes Wams und seinen Rückentornister, den er bei seiner Flucht aus einem Orphischen Labyrinth mitgebracht hatte. Die grau und violett schimmernde Schneckenfrisur war dagegen so makellos, als käme Veth geradewegs aus einem Frisiersalon. „... Was man euch in diesen ehrwürdigen Hallen lehrt, das ist nicht die
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