1352 - Beute für den Sensenmann
gepackt und zum Scheiterhaufen gezerrt wurde.
Das passierte nicht. Seltsamerweise zog sich Navarro zurück.
Wollte er es tatsächlich bei der Drohung belassen?
Er drehte ihr jetzt den Rücken zu, und sie kam aus dem Staunen nicht heraus, als sie sah, wohin ihn der Weg führte. Der Kapitän ging geradewegs auf das Feuer zu!
Vieles schoss ihr durch den Kopf. Sie war nicht dazu in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Dinge rollten vor ihr ab, rollten wieder zurück, doch sie schaffte es, sich auch weiterhin auf den Bärtigen zu konzentrieren, der bereits so nah an das Feuer herangegangen war, dass er die Hitze spüren musste.
Jeder Mensch wäre zurückgezuckt und hätte die Flucht ergriffen.
Er nicht.
Navarro blieb auch nicht stehen. Und als er die nächsten Schritte ging, da wurde ihr klar, dass er tatsächlich vorhatte, in die Flammen zu steigen, um sich selbst zu verbrennen.
Ja, er tat es!
Nur mühsam unterdrückte Lilian einen Schrei. Durch das Gewicht brachen einige Äste zusammen und sorgten für einen starken Funkenflug. Für einen Moment war er wie von einem wilden roten Regen umgeben. Dann drehte er sich um, weil er zurückschauen wollte.
Lilian Dexter bekam ihren Mund nicht mehr zu. Sie merkte, dass sie zitterte. Hätte man sie nicht festgehalten, wäre sie längst zusammengebrochen.
Brennen!
Er musste brennen!
Nein, es passierte nicht, denn die Flammen, von der Hölle gelenkt, hatten etwas anderes mit ihm vor. Sie verbrannten ihn nicht auf die übliche Art und Weise, sondern glühten ihn aus. Er wurde innerhalb des Feuers zu einer dunkelrot glühenden Gestalt, die beide Arme in die Höhe gerissen hatte und sich so präsentierte.
Selbst die Kleidung fing kein Feuer und glühte einfach nur aus.
Aber es blieb etwas zurück.
Ein Skelett!
Eigentlich hatte Lilian die Augen schließen wollen. Das schaffte sie nicht mehr. Jemand hatte sie unter einen Zwang gesetzt, um nur auf das Feuer zu schauen, das jetzt von dieser veränderten Gestalt verlassen wurde.
Sie lebte – das Skelett lebte. Wie schon einmal, als es Orry umgebracht hatte.
Und jetzt kam es auf Lilian Dexter zu…
***
Zwar klebte ein Pflaster über der Verletzung, aber jetzt war die Wunde wieder aufgeplatzt, und Suko spürte, dass das Blut an seinem Gesicht entlangrann.
Es war kein Grund, um aufzugeben. Keine Pause, kein Halt, und die Flammen wiesen ihm und Rose Dunn den Weg.
Suko war noch schwach, aber er kämpfte gegen die Schwäche an.
Zusammen mit seiner Helferin, die ihn dabei unterstützte. Sie zerrte ihn förmlich weiter und spornte ihn immer wieder an.
Suko sagte nichts.
Er ging nur.
Er war hart im Nehmen, und er hoffte natürlich, dass es sich auf dem Weg etwas erholte.
Seine Füße schleiften nicht mehr so lang über dem Boden. Es gelang ihm wieder, die Beine etwas anzuheben, und er fühlte sich auch besser als in der Gaststube.
Das Feuer wies ihnen den Weg. Sie gingen in seine Richtung, und sie waren bereits näher an es herangekommen, ohne Cove richtig verlassen zu haben. Zwischen den Häusern gab es eine Lücke, durch die sie schauen konnten, und so sahen sie dort die tanzende Feuerwand, die auch zahlreiche Funken absonderte, die rasch in der Nacht verglühten.
»Sollen wir eine Pause einlegen, Suko?«
»Nein, weiter!«
»Okay.«
Suko ging schneller. Er brauchte auch die Unterstützung nicht mehr. Er hielt nun mit der mutigen Frau Schritt, der man so eine Aktion kaum zugetraut hätte. Aber manchmal täuschte man sich eben in einem Menschen, das musste auch Suko feststellen.
Es gab kein Hindernis, dass sie gestoppt hätte. Die beiden kamen voran. Und sie blieben allein. Kein Bewohner aus Cove traute sich, hier im Freien zu erscheinen, um nachzuschauen, was passiert war.
Es schien, als hätten die Menschen Angst vor den Flammen.
Endlich ließen sie die letzten Häuser hinter sich. Ein freies Gelände, hin und wieder noch ein Zaun, das war alles. Der Wind pfiff hier kälter. Er heulte über die freien Flächen hinweg. Er griff auch in die Flammen hinein und ließ sie tanzen. Es war ein schaurig-schönes Bild, das man ihnen bot, und Suko schien durch diesen Anblick noch mal richtig Kraft zu bekommen. Jedenfalls gab er sich einen Ruck und lief sogar schneller als seine Helferin.
Und er sah vor ihr die Gestalten!
Eine Frau war zu sehen. Es konnte nun Lilian Dexter sein. Suko hätte ihr gern etwas zugerufen, um ihr Mut zu machen. Dann sah er ein, dass es ein Fehler gewesen wäre. Lilian war nicht
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